Photosynthese: Cyanobakterien überleben im dunklen fernroten Licht - das hat seinen Preis, eröffnet aber auch neue Anwendungsmöglichkeiten

Fr, 09.09.2022 — Redaktion

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Zwei Arten von photosynthetischen Cyanobakterien können unter Nutzung von energiearmen fernrotem Licht in unglaublich dunkler Umgebung gedeihen. Wie eine neue Untersuchung im Fachjournal e-Life zeigt, geht dies einerseits auf Kosten der Widerstandsfähigkeit gegen Lichtschäden, andererseits auf Kosten der Energieeffizienz. Ein besseres Verständnis der Balance zwischen Effizienz und Widerstandsfähigkeit sollte zur Entwicklung von Kulturpflanzen oder Algen mit zusätzlich eingebauten Fernrot-Photosystemen dienen, die zur Produktion von Nahrungsmitteln und Biomasse aber auch für technologische Anwendungen wie der Synthese von Kraftstoffen Anwendung finden können.*

Das Leben auf der Erde, wie wir es kennen, hängt von der Photosynthese ab. Bei diesem Prozess nutzen Pflanzen, Algen und Cyanobakterien die Sonnenenergie, um Wasser und Kohlendioxid in den Sauerstoff, den wir atmen, und in die Glukose umzuwandeln, die viele biologische Prozesse antreibt.

Die Maschinerie der Photosynthese besteht aus einer aufwändigen, komplizierten Ansammlung von Proteinkomplexen, die hauptsächlich Chlorophyll-a-Moleküle und Carotinoid-Moleküle enthalten. Mehrere dieser Komplexe arbeiten synchron zusammen und vollbringen eine erstaunliche Leistung: Sie spalten Wassermoleküle (eines der stabilsten Moleküle unserer Erde) zur Gewinnung von Elektronen und Erzeugung von Sauerstoff und sie übertragen die Elektronen auf Chinonmoleküle zur Weiterführung der Photosynthese. Die Effizienz dieses ersten Schrittes der Energieumwandlung entscheidet über das Ergebnis des gesamten Prozesses.

Wenn das Photosystem zu viel Licht absorbiert, werden sogenannte reaktive Sauerstoffspezies in einem Ausmaß produziert, dass sie das Photosystem schädigen und die Zelle töten. Um abzusichern, dass das Photosystem effizient arbeitet, und um es vor Schäden zu schützen, wird etwa die Hälfte der Energie des absorbierten Lichts als Wärme abgeleitet, während der Rest der Energie in den Produkten der Photosynthese gespeichert wird.

Abbildung 1: .Die unterschiedlichen Chlorophylle weisen zwei ausgeprägte Absorptionsmaxima im blauen und im roten Spektralbereich des sichtbaren Lichts auf. Grünes Licht, das nicht absorbiert sondern gestreut wird, lässt Blätter grün erscheinen. (Bild und Legende von Redn. eingefügt.)

Viele Jahre lang ist man davon ausgegangen, dass das von Chlorophyll a absorbierte rote Licht (bei einer Wellenlänge von 680 Nanometern) das energieärmste Licht ist, das für den Antrieb der Sauerstoff erzeugenden Photosynthese verwendet werden kann und das gleichzeitig die durch hohe Lichtintensität verursachten Schäden minimiert. Frühere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass einige Cyanobakterien, die in dunklen Umgebungen leben, in fernrotem Licht gedeihen können, das nahe an der Grenze dessen liegt, was wir sehen können (Abbildung 1): Dieses Licht hat eine niedrigere Energie als rotes Licht, weil seine Wellenlänge länger ist (720 Nanometer). Diese Cyanobakterien enthalten neben Chlorophyll a auch Chlorophyll d und Chlorophyll f, können aber dennoch die gleichen Reaktionen durchführen wie Organismen, die nur Chlorophyll a enthalten. Bislang war jedoch nicht klar, ob diese Arten einen Preis in Form von Widerstandsfähigkeit gegenüber Lichtschäden oder Effizienz der Energieumwandlung zahlen.

In der Fachzeitschrift eLife berichten nun Stefania Viola und A. William Rutherford vom Imperial College London und Kollegen, die am Imperial College, am CNR in Mailand, an der Freien Universität Berlin, an der Sorbonne und am CEA-Saclay tätig sind, über neue Erkenntnisse zur Photosynthese im Fernrotbereich [1]. Das Team hat zwei Arten von Cyanobakterien untersucht, die im Fernrot Photosynthese betreiben: Acaryochloris marina, das in dunkler Umgebung vorkommt, und Chroococcidiopsis thermalis, das unter variablen Lichtbedingungen lebt und je nach Lichtenergie zwischen normaler Photosynthese und Photosynthese im Fernrot wechseln kann. Um festzustellen, ob diese Organismen die gleiche Widerstandsfähigkeit gegenüber Lichtschäden und die gleiche Effizienz der Energieumwandlung aufweisen wie Organismen, die nur Chlorophyll a enthalten, haben Viola und Kollegen etliche Aspekte des ersten Energieumwandlungsschritts in der Photosynthese (siehe oben) untersucht. Dazu hat die Messung der erzeugten Sauerstoffmenge gehört sowie das Ausmaß an reaktiven Sauerstoffspezies, die zu Lichtschäden führen können.

Abbildung 2: . Photosynthese in rotem und fern-rotem Licht. Pflanzen, Algen und Cyanobakterien verwenden Chlorophyll a (Chl-a), um rotes Licht zu absorbieren und den Prozess der Photosynthese anzutreiben. Studien haben gezeigt, dass Chl-a unempfindlich gegenüber Lichtschäden ist und die Lichtenergie effizient nutzt. Einige Cyanobakterien (grüne Kreise im blauen Teich; nicht maßstabsgetreu) haben sich an ihre dunklere Umgebung angepasst, indem sie andere Chlorophyllmoleküle - Chlorophyll d (Chl-d) und Chlorophyll f (Chl-f) - zur Absorption von fernrotem Licht (das weniger energiereich ist als rotes Licht) verwenden. Die Verwendung dieser Moleküle hat jedoch ihren Preis: Chl-d-Organismen sind energieeffizient, aber nicht widerstandsfähig gegen Lichtschäden; Chl-f-Organismen hingegen sind nicht energieeffizient, aber widerstandsfähig gegen Lichtschäden.

Dabei hat es sich gezeigt, dass beide Arten der Cyanobakterien vergleichbare Mengen an Sauerstoff produzierten wie reine Chlorophyll-a-Cyanobakterien. Das Photosystem II von A. marina, das 34 Chlorophyll-d-Moleküle und nur ein Chlorophyll-a-Molekül enthält, war hocheffizient, hat aber auch hohe Mengen reaktiver Sauerstoffspezies produziert, wenn es starkem Licht ausgesetzt war; dadurch wurde es weniger widerstandsfähig gegen Lichtschäden. Im Gegensatz dazu produzierte C. thermalis - das vier Chlorophylle f, ein Chlorophyll d und 30 Chlorophyll a-Moleküle enthält - bei weitem nicht so viele reaktive Sauerstoffspezies, war aber auch weniger energieeffizient, wenn es in fernem Rotlicht kultiviert wurde. Abbildung 2.

Viola et al. geben eine detaillierte Beschreibung davon, wie sich diese Organismen an die lichtarmen Bedingungen in ihrer Umgebung angepasst haben und welche Kosten mit ihren Eigenschaften verbunden sind [1]. Ein besseres Verständnis der Art und Weise, wie photosynthetische Organismen energiearmes Licht nutzen, könnte den Wissenschaftlern dabei helfen, in Algen oder Pflanzen, die nur Chlorophyll a enthalten, fernrote Photosysteme einzubauen und so die Nutzung des Sonnenlichts zu verbessern und die Ernteerträge zu steigern. Außerdem könnten in Zukunft künstliche Systeme entwickelt werden, die energiearmes Licht zur Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen aus Solarenergie nutzen.


 [1] Stefania Viola et. al.,Impact of energy limitations on function and resilience in long-wavelength Photosystem II .  https://doi.org/10.7554/eLife.79890


* Der von E. Romera stammende Artikel: "Photosynthesis: Surviving on low-energy light comes at a price" ist am 02 September 2022 erschienen in: eLife/elifesciences.org/articles/82221 https://doi.org/10.7554/eLife.82221 4 als eine leicht verständliche Zusammenfassung ("Insight") der Untersuchung von S.Viola et al. [1]. Der Artikel wurde von der Redaktion ins Deutsche übersetzt und mit Abbildung 1 plus Text ergänzt. eLife ist ein open access Journal, alle Inhalte stehen unter einer cc-by Lizenz -


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