Der ScienceBlog zum Jahreswechsel 2013/2014

Fr, 27.12.2013 - 15:57 — Redaktion

Kaleidoskop “The distinctive character of our own time lies in the vast and constantly increasing part, which is played by natural knowledge. Not only is our daily life shaped by it, not only does the prosperity of millions of men depend on it, but our whole theory of life has long been influenced, consciously or unconsciously, by the general conceptions of the universe, which has been forced upon us by physical science.” Aus: Thomas H. Huxley (1882), Science and Culture

Abb.: Kaleidoskop; Artwork von Eric Taylor zum Debut-Album »Blue Siberia« des Rock-Trios »Star FK Radium«.

Dem obigen Zitat des britischen Biologen und Verfechter der Darwin’schen Evolutionstheorie T. H. Huxley merkt man wohl nicht an, dass es bereits 131 Jahre alt ist. Naturwissenschaften – ihre Grundlagen und Anwendungen – nehmen bei Huxley einen ungeheuer hohen Stellenwert ein, sie formen Leben und Weltbild des Einzelnen, wie das ganzer großer Gesellschaften.

Der Stellenwert der Naturwissenschaften in Österreich

Es erübrigt sich festzustellen, dass unser heutiges Leben in einem noch viel höherem Maße durch Naturwissenschaften und Technik geprägt ist. Dennoch begegnen weiteste Bevölkerungsschichten in unserem Land diesen Wissenszweigen mit Verständnislosigkeit, Desinteresse und Ablehnung, stufen sie bestenfalls als irrelevant für ihr eigenes Leben ein [1,2]. Der minimale Stellenwert, der bei uns der Wissenschaft ganz allgemein zugewiesen wird, kommt aktuell auch in der Ressortaufteilung des neuen Regierungsprogramms zum Ausdruck, in der blamablen Einsparung eines eigenständigen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung (siehe auch unseren vorwöchigen Artikel „Quid pro quo?“[3]). Rot-schwarzes Schachbrettdenken hat es nicht erlaubt, Wissenschaftsagenda, Grundlagen- und Angewandte Forschung, die über zahlreiche Ministerien, insbesondere dem Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, verstreut sind, in einem einzigen Wissenschaftsministerium zu bündeln. Damit ist wohl für die nächsten Jahre die Chance vertan, eine zeitgemäße Struktur der Forschungsagenda zu etablieren, in der die Förderungen von Projekten transparent, leistungsbezogen und dennoch ressourcenschonend vergeben werden.

Fehlende Bildungsstandards…

Der niedrige Stellenwert der Wissenschaft, vor allem der Naturwissenschaften, wird aber auch aus den „Bildungsplänen“ für die heranwachsende Jugend ersichtlich, aus der Wissenschaftsberichterstattung und -kommunikation für die Erwachsenen:

In Schulen existieren nach wie vor keine Bildungsstandards für Naturwissenschaften, darüber, was ein Pflichtschulabgänger, was ein Absolvent der AHS wissen sollte (siehe Bifie Bildungsstandards). In den Lehrplänen der Oberstufen sind naturwissenschaftliche Fächer nicht nur unterrepräsentiert, die Unterrichtsstunden wurden, trotz einem enorm angestiegenen Wissen, gegenüber früher gekürzt.

…und Mangel an seriöser, leicht verständlicher Information für Erwachsene…

Ihre rudimentären naturwissenschaftlichen Kenntnisse können Schulabgänger als Erwachsene aber kaum noch verbessern. Prinzipiell wäre Information aus den Massenmedien zu beziehen, vor allem aus dem Fernsehen, aber auch aus den Printmedien und in steigendem Maße aus dem Internet. Dem steht entgegen, dass in den ersten beiden Medien Unterhaltungswert und Befriedigung der Sensationsgier oberste Priorität besitzen, wenig quotenbringende Wissenschaftsberichte zumeist an unterster Stelle rangieren: In den Jahren 2009 bis 2012 hat der ORF die Sendezeit für „Wissenschaft und Bildung“ von 303 Stunden auf 214 Stunden (1,22 % der gesamten Sendezeit) reduziert, zugunsten eines erhöhten Angebots an Unterhaltung (46 %) und Sportsendungen (6,8 %). (Quelle: ORF-Jahresberichte). In den Printmedien führen überhaupt nur wenige Tageszeitungen eine Wissenschaftsrubrik – komplexe Sachverhalte werden aber auch hier häufig nicht allgemein verständlich dargestellt und sind zum Teil auch nicht ausreichend recherchiert.

Das Internet weist wohl ein ungeheures Wissensangebot auf; seriöse, leicht verständliche Information ist aber nicht einfach zu finden. Ein Großteil der Videos auf Youtube, aber auch viele Diskussionsplattformen und auf den ersten Blick seriös wirkende Webseiten, erweisen sich bei näherem Ansehen als zu wenig verständlich oder krass pseudowissenschaftlich. Die eigentliche Fachliteratur in ihrem „fachchinesisch“ erscheint auch für interessierte Laien natürlich weitestgehend unverständlich.

…führen über Unwissen zu Verunsicherung und Ablehnung

Unsere Gesellschaft besteht schon zum Großteil aus Menschen, die den Naturwissenschaften – und hier vor allem der Chemie – äußerst ablehnend gegenüberstehen. Befürchtungen hinsichtlich Gefahren, die in Lebensmitteln, Trinkwasser, Umwelt, Kosmetika, Arzneimittel und vielem anderen lauern, werden hier vor allem auch durch die Medien (und NGO’s) geschürt und führen zu beinahe schon irrationalen Ängsten. Eine adäquate, durchaus kritische Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Problemen ist aber kaum möglich, da ja erforderliche Grundkenntnisse fehlen

Der ScienceBlog

Mit dem ScienceBlog streben wir an:

„Laien über wichtige naturwissenschaftliche Grundlagen und Standpunkte zu informieren, deren Grenzen in kritischer Weise abzustecken, Vorurteilen fundiert entgegenzutreten und insgesamt, in der Form eines zeitgemäßen Diskussionsforums, das zur Zeit leider sehr geringe, allgemeine Interesse an Naturwissenschaften zu steigern“.

Ein Kaleidoskop der Disziplinen…

Der ScienceBlog unterscheidet sich von anderen Wissenschaftsblogs dadurch, dass er nicht nur ein spezielles Fachgebiet darstellt, sondern transdisziplinären Charakter besitzt, die Naturwissenschaften in ihrer ganzen Breite umspannt. Er inkludiert also Physik, Geowissenschaften, Weltraumforschung, Chemie, Biologie bis hin zur molekularen Pharmakologie und Medizin. Ebenso sind Mathematik/Informatik als Grundlage und Gebiete, die auf Naturwissenschaften basieren, vertreten. Dazu kommen wissenschaftspolitische Artikel hinsichtlich naturwissenschaftlicher Bildung, Forschung und deren Förderung – mit speziellem Fokus auf die Situation in Österreich.

Damit entspricht der Blog der transdisziplinären Natur der meisten real existierenden Fragestellungen und ermöglicht deren Diskussion von der Warte verschiedener Fachrichtungen aus. Beispielsweise kommt ja die moderne Medizin („science-based medicine“) heute nicht mehr ohne Biochemie und Molekularbiologie aus, erfordert die Suche nach neuen Arzneimitteln ein breites Spektrum an Disziplinen, unter anderem die analytische und synthetische Chemie, die Strukturchemie, Biochemie, Molekularbiologie, der Informationstechnologien, Computermodellierungen und natürlich pharmazeutische Wissenschaften und medizinische Grundlagen.

Aktuelle Ansätze in den Naturwissenschaften benutzen Wissen und Technologien aus unterschiedlichsten Disziplinen und setzen diese kaleidoskopartig zu immer neuen Strukturen, zu immer neuen Anwendungen, zusammen. Dies gilt insbesondere für das Bestreben, die überaus komplexen Zusammenhänge von Systemen, wie beispielsweise von Zellen, Organen und ganzen Organismen in einer holistischen (systemtheoretischen) Weise zu beschreiben, das heißt, in ihrer Dynamik und unter Einbeziehung aller möglichen Wechselwirkungen. (Ein derartiger, äußerst aufwändiger Ansatz (beispielsweise der Systembiologie, Systempharmakologie,...) konnte natürlich erst auf der Basis der heute verfügbaren Möglichkeiten der Datenspeicherung und Datenverarbeitung ins Auge gefasst werden.) Ein Paradebeispiel stellt hier auch die als Leitwissenschaft des 21. Jahrhunderts apostrophierte „Synthetische Biologie“ dar.

…erfordert ein Kollektiv kompetenter Autoren

Wenn die Inhalte der Artikel durchwegs „state of the art“ sein sollen, fundierte wissenschaftliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen aufzeigen sollen, können sie zweifellos nicht von einem einzelnen Blogger stammen. Der ScienceBlog hat es sich zur Aufgabe gemacht, international ausgewiesene (vorwiegend aus Österreich stammende) Experten als Autoren zu rekrutieren, die jeweils aus ihren Fachgebieten in leicht verständlicher, deutscher Sprache schreiben. Der Blog stellt also „Wissenschaft aus erster Hand“ dar. Damit unterscheidet sich unser Blog grundlegend von anderen naturwissenschaftlichen Blogs im Ausland, die häufig von einem einzelnen Blogger betreut werden und sich auf ein einzelnes Fachgebiet beschränken.

Der ScienceBlog 2013

Der ScienceBlog – vor zweieinhalb Jahren ins Leben gerufen – hat vor neun Monaten einen Relaunch erfahren und ist auf eine neue, eigene Webseite umgezogen [4]. Alle bis dahin erschienenen wissenschaftlichen Artikel wurden bereits auf die neue Seite übernommen – sie haben ja noch nichts an Gültigkeit der Information und der Aussagen eingebüßt.

Mit der Erscheinungsfrequenz 1 Artikel/Woche liegen bis jetzt Insgesamt 125 Artikel vor, die von 46 Autoren stammen. Zu den einzelnen Artikeln gibt es meistens weiterführende Links (seriöse, leicht verständliche Literatur und – wo immer möglich – Videos), die auch gepflegt werden.

Mit großer Freude können wir berichten, dass seit dem Relaunch die Zugriffszahlen zu unserem Blog stark ansteigen, dass wir in der Google-Bewertung („PageRank“) unserer Seite ein '7/10' erhalten haben – eine Bewertung, die bis jetzt nur sehr wenige Wissenschaftsblogs erzielten (z.B. das amerikanische Format: Science-Based-Medicine, nicht aber die großen deutschen Blog-Portale SciLogs.de oder ScienceBlogs.de).

Vision: ScienceBlog 2014

Unseren Blog wollen wir zu etwas Einzigartigem in der Blogosphäre gestalten.

Zur Zeit gruppieren wir die einzelnen Artikel nach Themenschwerpunkten (siehe z.B. die Schwerpunkte „Synthetische Biologie“ und „Klima & Klimawandel“) und erstellen zu allen Artikeln Schlagwortlisten. Dies gibt die Möglichkeit, auf alle Artikel zurückzugreifen, ein Thema von den Gesichtspunkten unterschiedlicher Disziplinen aus zu betrachten und (hoffentlich auch) zu diskutieren.

Es entsteht somit eine blogweite Informations- und Diskussions-Plattform über das gesamte Spektrum der Naturwissenschaften auf dem durch unsere Autoren garantierten höchsten Niveau! Ein neues Format, das über Themenschwerpunkte ein Vorgehen nach Art eines e-Books erlaubt, darüber hinaus aber die Möglichkeit einer breiten Diskussion bietet. In diesem Sinne

Ein Prosit Neujahr!

Allen unsere Autoren, denen wir herzlich für Ihre brillanten, wertvollen Artikel danken, die den ScienceBlog zu einer neuen Form der fächerübergreifenden Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit machen .

Allen unseren Besuchern, denen wir auch im neuen Jahr faszinierende Berichte über die Natur in uns und um uns versprechen. Wir hoffen, dass Sie uns auch in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis weiterempfehlen!


Siehe auch [1] Wissenschaftskommunikation in Österreich und die Rolle der Medien — Teil 1: Eine Bestandsaufnahme

[2] Wissenschaftskommunikation in Österreich und die Rolle der Medien. — Teil 2: Was sollte verändert werden? [

3] Quid pro quo? Zur Einsparung des Wissenschaftsministeriums

[4] ScienceBlog in neuem Gewande — Kontinuität und Neubeginn