Fr, 31.07.2015 - 10:15 — Johannes Kaiser & Angelika Heil Das Abbrennen von Biomasse verändert die Landoberfläche und führt zu massiven Emissionen von Rauchgasen und -partikeln. Johannes Kaiser und Angelika Heil - Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz – zeigen hier Verfahren auf, die sie zur weltweiten Abschätzung von Emissionen aus Wald-, Savannen- und anderen Vegetationsfeuern aus Satellitenbeobachtungen entwickeln. Mithilfe dieser Verfahren berechnet der EU-finanzierte, frei verfügbare Copernicus Atmosphärendienst täglich diese Emissionen und ihren Einfluss auf die globale Atmosphärenzusammensetzung und die europäische Luftqualität. Zudem werden die Berechnungen zur Überwachung des globalen Klimawandels eingesetzt.*
Feuer im Erdsystem
Savannen-, Wald- und andere Vegetationsfeuer sind ein weltweites Phänomen. Sie sind integraler Bestandteil verschiedenster Ökosysteme, in denen sich die Feuer in Abständen von einem Jahr bis zu einigen Jahrhunderten wiederholen. Vegetationsbrände treten natürlich auf, und können mit versteinerten Holzkohlefunden bis zum Devon zurückverfolgt werden. Heutzutage überwiegt die absichtliche oder versehentliche Entzündung durch Menschen, die andererseits auch die Feuerausbreitung bekämpfen. Abbildung 1 zeigt links die globale Feuerverteilung während eines Jahreszyklus.
Abbildung 1: Feinstaubemissionen aus Vegetationsbränden im Jahr 2005 [7]. Die Farbskala bezieht sich auf die Emissionen in Tonnen pro Jahr pro 50 km x 50 km (links). Prozentualer Beitrag von Vegetationsbränden an den gesamten Feinstaubemissionen im Jahr 2005 (rechts). Die Gesamtemissionen beinhalten anthropogene Emissionsquellen plus Vegetationsbrände. © Max-Planck-Institut für Chemie
Feuer verursachen einen jährlichen Kohlenstofffluss von ca. zwei Gigatonnen in die Atmosphäre. Das entspricht etwa 20 Prozent des Flusses aus fossilen Brennstoffen und ist somit ein wichtiger Teil des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Zwar wird der Großteil des freigesetzten Kohlendioxids durch erneuten Pflanzenwuchs wieder aufgenommen, aber die Abholzung und Verbrennung tropischer Wälder sowie Torf- und Tundrafeuer sind irreversibel.
Toxische Rauchgase und -partikel beinträchtigen die lokale und regionale Luftqualität. Beispielsweise haben Feuer in Sumatra im Juni 2013 in Singapur zu einer zwölffachen Überschreitung des Feinstaubrichtwertes der Weltgesundheitsorganisation geführt. Die Feuer wurden im Zusammenhang mit der Anlage von Palmplantagen gelegt. Feuer sind eine signifikante Quelle für viele atmosphärische Spurenstoffe. Global tragen sie rund ein Drittel zu den Emissionen von Kohlenmonoxid und Feinstaub bei. Der relative Anteil an den gesamten Feinstaubemissionen ist in Abbildung 1 rechts illustriert.
Rauchpartikel beeinflussen auch das Klima. Sie enthalten Ruß und organisches Material in unterschiedlichen Anteilen. Die beiden Anteile haben entgegengesetzte Wirkungen auf die Energiebilanz der Erde: Dunkler Rauch mit hohem Rußanteil bewirkt eine Erwärmung. Heller Rauch mit niedrigem Rußanteil bewirkt eine Abkühlung. Im globalen Mittel überwiegt der Kühlungseffekt. Auf Eis und Schnee abgelagerte Rußpartikel erhöhen die Absorption von Sonnenlicht und tragen so zu der vermehrten Eisschmelze in der Arktis bei. Die Rauchpartikel fungieren auch als Wolkenkondensationskerne und haben entsprechend komplexe Wirkungen auf Wolken und Niederschlag.
Frühe Feuerquantifizierung
Schon im 19. Jahrhundert berechnete Alexander von Danckelman [1] die Menge der in Afrika südlich des Äquators jährlich verbrannten Biomasse aus Abschätzungen der verbrannten Savannenfläche und der Biomassedichte (kg m-2). Seiler und Crutzen erweiterten den Ansatz 1980 auf die gesamte Erde und die Abschätzung von Spurengasemissionen [2]. Der Berechnungsansatz beruht auf der Multiplikation der verbrannten Fläche, der pro Flächeneinheit verbrannten Biomasse und der Emissionsfaktoren (pro Kilogramm verbrannter Biomasse freigesetzte Spurengase oder Rauchpartikel). Diese Berechnungsgrößen werden jeweils vom Vegetationstyp abhängig parametrisiert. Mangels besserer Alternativen mussten die Berechnungsgrößen mittels Extrapolation von demographischen Statistiken und Landnutzungsdaten abgeschätzt werden.
In den darauffolgenden zwei Dekaden konnte ein Teil der Unsicherheiten durch weiterführende Arbeiten deutlich reduziert werden. So wurden bei gezielt gesetzten Vegetationsbränden in den Tropen und in borealen Gebieten Feldmessungen am Boden und von Flugzeugen aus durchgeführt. Daraus konnten wesentliche Erkenntnisse über das Brand- und Emissionsverhalten gewonnen werden. Abbildung 2 zeigt eines der größten Experimente dieser Art. Parallel wurde der Einfluss der Rauchwolken auf die atmosphärische Umwelt und das Klima erstmalig beleuchtet [3].
Abbildung 2: Höhepunkt des Feuersturms des interdisziplinären „Bor Forest Island Fire Experiment“ im Juli 1993 in der Region Krasnoyarsk, Russische Föderation, durchgeführt und von der Arbeitsgruppe Feuerökologie / Global Fire Monitoring Center des Max-Planck-Instituts für Chemie, Abteilung Biogeochemie. © Max-Planck-Institut für Chemie / Global Fire Monitoring Center
Globale Satellitenbeobachtungen von Feuern
Die Satellitenfernerkundung ermöglicht seit den 1980er Jahren zunehmend genauere Abschätzungen der globalen Verteilung von Brandflächen, einschließlich ihrer zeitlichen Trends und Variabilität. Seit 1999 gibt es mit dem MODIS-Instrument (MODerate-resolution Imaging Spectroradiometer) erstmals einen Satellitensensor mit speziellen Merkmalen für die Beobachtung von Vegetationsbränden [4]. Mit dem Start des zweiten MODIS-Instrumentes wird die gesamte Erde seit 2003 alle sechs Stunden beobachtet, was aufgrund der kurzen Lebensdauer der meisten Feuer wichtig ist.
Die Vegetationsbrände werden auf zwei verschiedene Arten beobachtet:
Die verbrannte Fläche (burnt area) wird nach dem Brand als plötzliche Verringerung der Bodenreflektion registriert. Mit diesen Beobachtungen und dem Ansatz von Seiler und Crutzen werden nun globale Emissionsinventare berechnet [5].
Bereits während des Feuers wird erhöhte Wärmestrahlung registriert (active fire). Aus der Anzahl der detektierten Feuer lässt sich die verbrannte Fläche abschätzen, allerdings mit relativ großer Unsicherheit. Eine quantitative Auswertung ergibt auch die Leistung der Wärmestrahlung, die sog. fire radiative power (FRP). In Laborstudien hat FRP eine Proportionalität zur Verbrennungsrate der Biomasse gezeigt [6]. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPIC) haben in der Vergangenheit gezeigt, wie die Feueremissionen auch aus den satellitengestützten FRP-Beobachtungen berechnet werden können [7]: Zunächst werden durch Wolken bedingte Beobachtungslücken überbrückt, um kontinuierliche globale FRP-Abschätzungen zu erhalten. Daraus wird die Menge der verbrannten Biomasse mit einem zu Seiler und Crutzen alternativen, feuertypspezifischen Ansatz berechnet. Schließlich werden die Emissionen der verschiedenen Rauchbestandteile mit Emissionsfaktoren berechnet. Das ermöglicht einerseits eine globale Bestimmung der Feueremissionen in Echtzeit und reduziert andererseits Unsicherheiten, die aus geringer Kenntnis der zum Zeitpunkt des Feuers vorhandenen Biomasse und des davon tatsächlich verbrannten Prozentsatzes entspringen.
Feuerüberwachung im Copernicus Atmosphärendienst
Die Europäische Union finanziert den operationellen Copernicus Atmosphärendienst als Teil des weltweit größten zivilen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. In den Vorläuferprojekten GEMS und MACC-I/-II/-III haben die Forscher des MPIC die neuen, FRP-basierten Emissionsberechnungen als Global Fire Assimilation System (GFAS) entwickelt und implementiert. Derzeit leitet das MPIC die Weiterentwicklung von GFAS in MACC-III.
Der Atmosphärendienst und seine Vorläuferprojekte produzieren mit GFAS seit 2008 tagesaktuelle Emissionsdaten für 44 verschiedene Spurengase und Aerosolkomponenten. Diese sind ein essenzieller Input für die globalen Analysen und Fünf-Tages-Vorhersagen der chemischen Atmosphärenzusammensetzung und der europäischen Luftqualität, die der Atmosphärendienst täglich produziert.
Abbildung 3 zeigt ein Beispiel von interkontinentalem Transport von Rauchpartikeln aus großen Feuern in Sibirien. Dabei stammen die Feuerdaten aus GFAS, während die Aerosoldaten mit dem globalen MACC-Atmosphärenmodell, das auch Information von GFAS und satellitengestützten Aerosolbeobachtungen berücksichtigt, berechnet wurden.
Abbildung 3: Transport von Rauch sibirischer Feuer über den Pazifik. Feuer FRP aus GFAS und Aerosol optische Dicke (AOD) des Rauchaerosols für drei Tage im Sommer 2012. Video auf http://atmosphere.copernicus.eu/news/seattle_haze/seattle_haze_details © European Centre for Medium-range Weather Forecasts Feuer ist eine sogenannte Essential Climate Variable, die durch burnt area, active fire und FRP charakterisiert wird. Deswegen tragen Forscher des MPIC seit mehreren Jahren GFAS-basierte Analysen zum jährlichen State of the Climate Report der US-amerikanischen Wetterbehörde NOAA bei [8].
Abbildung 4 zeigt sowohl die in der Einleitung erwähnten Feuer auf Sumatra als auch, wie die damit vorhergesagte Rauchfahne über Singapur bläst. Beide Grafiken wurden routinemäßig noch während der Brände auf den MACC-Webseiten veröffentlicht. Alle Produkte des Atmosphärendienstes sind frei verfügbar.
Abbildung 4: GFAS-Repräsentation von Feuern auf Sumatra (links) und eine darauf basierende Rauchvorhersage in Einheiten von Aerosol optischer Dicke (AOD) im Juni 2013. © European Centre for Medium-range Weather Forecasts
Abbildung 5 zeigt die GFAS Zeitreihe der globalen monatlichen Feueraktivität im Vergleich zur burnt area-basierten GFED Zeitreihe. Die beiden Datensätze haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Beispielsweise repräsentiert FRP die relativ schwachen Feuer auf abgeernteten Feldern in Osteuropa, Nordamerika und Teilen Asiens besser als burnt area. Dies führt zu den weniger ausgeprägten globalen Minima. Die regionale Variabilität ist deutlich ausgeprägter als die globale. So wurde 2014 eine zweifach überdurchschnittliche Feueraktivität in Nordamerika und im tropischen Asien durch circa 15 Prozent weniger Feuer in Afrika und Südamerika ausgeglichen.
Abbildung 5: Monatlich global verbrannte Biomasse entsprechend der Inventare GFED [5] und GFAS [7]. © Max-Planck-Institut für Chemie
Ausblick
Trotz weltweit aktiver Forschung bestehen noch große Unsicherheiten bei der Abschätzung von Emissionen aus Vegetationsfeuern. Dies drückt sich z. B. in der Streuung der mit verschiedenen Methoden berechneten regionalen Emissionen um bis zu einer Größenordnung aus [9]. Die Analyse von Feuerbeobachtungen weiterer, insbesondere geostationärer, Satelliten wird die Unsicherheit in Zukunft verringern.
Für Feinstaub scheinen die aus Satellitenbeobachtungen der Rauchwolken indirekt bestimmten Flüsse (top-down) systematisch höher zu liegen als die aus Feuerbeobachtungen (bottom-up) bestimmten [7]. Diese Diskrepanz hängt unter anderem mit den beobachteten schnellen chemischen Prozessen in der Rauchfahne zusammen [10]. Diese Prozesse können nur in Modellen mit einer höheren Auflösung adäquat dargestellt werden, als sie derzeitige globale Modelle (40 Kilometer und mehr) verwenden.
Die umfangreiche Validierung der operationell vorhergesagten Rauchverbreitung innerhalb des Copernicus Atmosphärendienstes lässt umfassende Rückschlüsse auf die Genauigkeit der verwendeten Feueremissionen zu. Das MPIC wird diese mit seiner etablierten Expertise in globaler Atmosphärenchemie, Multiphasenchemie, Aerosol- und Wolkenphysik sowie Satellitenbeobachtungen kombinieren, um die Feueremissionen genauer zu bestimmen. Darüber hinaus hat das MPIC den Vorsitz der von der Weltorganisation für Meteorologie mit ins Leben gerufenen Forschungsinitiative Interdisciplinary Biomass Burning Initiative, IBBI).
Literaturhinweise
- von Danckelman, A. Die Bewölkungsverhältnisse des südwestlichen Afrikas. Meteorologische Zeitschrift 1, 301-311 (1884)
- Seiler, W.; Crutzen, P. J. Estimates of gross and net fluxes of carbon between the biosphere and the atmosphere from biomass burning. Climatic Change 2, 207-247 (1980)
- Crutzen, P. J.; Andreae, M. O. Biomass burning in the tropics: Impact on atmospheric chemistry and biogeochemical cycles. Science 250, 1669-1678 (1990)
- Justice, C. O.; Giglio, L.; Korontzi, S.; Owens, J.; Morisette, J. T.; Roy, D.; Descloitres, J.; Alleaume, S.; Petitcolin, F.; Kaufman, Y. The MODIS fire products. Remote Sensing of Environment 83, 244-262 (2002)
- van der Werf, G. R.; Randerson, J. T.; Giglio, L.; Collatz, G. J.; Mu, M.; Kasibhatla, P. S.; Morton, D. C.; DeFries, R. S.; Jin, Y.; van Leeuwen, T. T. Global fire emissions and the contribution of deforestation, savanna, forest, agricultural, and peat fires (1997–2009). Atmospheric Chemistry and Physics 10, 11707-11735 (2010)
- Wooster, M. J.; Roberts, G.; Perry, G. L. W.; Kaufman, Y. J. Retrieval of biomass combustion rates and totals from fire radiative power observations: FRP derivation and calibration relationships between biomass consumption and fire radiative energy release. Journal of Geophysical Research 110, D24311 (2005)
- Kaiser, J. W.; Heil, A.; Andreae, M. O.; Benedetti, A.; Chubarova, N.; Jones, L.; Morcrette, J.-J.; Razinger, M.; Schultz, M. G.; Suttie, M.; van der Werf, G. R. Biomass burning emissions estimated with a global fire assimilation system based on observed fire radiative power. Biogeosciences 9, 527-554 (2012)
- Kaiser, J. W.; van der Werf, G. R. [Global climate] Biomass burning [in ”State of the Climate in 2013”]. Bulletin of the American Meteorological Society 95, S47-S49 (2014)
- Zhang, F.; Wang, J.; Ichoku, C.; Hyer, E. J.; Yang, Z.; Ge, C.; Su, S.; Zhang, X.; Kondragunta, S.; Kaiser, J. W.; Wiedinmyer, C.; da Silva, A. Sensitivity of mesoscale modeling of smoke direct radiative effect to the emission inventory: a case study in northern sub-Saharan African region. Environmental Research Letters 9, 075002 (2014)
- Vakkari, V.; Kerminen, V.-M.; Beukes, J. P.; Tiitta, P.; van Zyl, P. G.; Josipovic, M.; Venter, A. D.; Jaars, K.; Worsnop, D. R.; Kulmala, M.; Laakso, L. Rapid changes in biomass burning aerosols by atmospheric oxidation. Geophysical Research Letters 41, 2644-2651 (2014)
*Dieser Artikel ist im Forschungsmagazin 2015 der Max-Planck Gesellschaft erschienen http://www.mpg.de/9177479/mpch_JB_2015?c=9262520 Er wurde mit freundlicher Zustimmung der Autoren und der MPG-Pressestelle ScienceBlog.at zur Verfügung gestellt und erscheint hier geringfügig für den Blog adaptiert, vom Autor J.W.K. wurde eine zusätzliche Abbildung (Abb. 4) plus Beitext eingefügt. Alle Literaturzitate außer [2] und [3] sind frei aufrufbar.
Weiterführende Links
Max-Planck Institut für Chemie, Abteilung Atmosphärenchemie
Copernicus Atmosphere Monitoring Service
Vincent Henri Peuch, head of the Copernicus Atmosphere Monitoring Service, operated by the European Centre for Medium-Range Weather Forecasts(ECMWF). Video 2:30 min.
Jean Noel Thepaut, head of the Copernicus Climate Change Service, operated by the European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF). Video 2:00 min.
European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF) (PDF-Download)
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