Wie Natur und Mensch das Klima beeinflussen und wie sich das auf die Energiebilanz der Erde auswirkt

Fr, 30.10.2015 - 06:30 — Peter Lemke Peter LemkeIcon Klima

Das Klima auf unserer Erde ist das Resultat einer über Milliarden Jahre dauernden Entwicklung, in der die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Kryosphäre, Ozeanen und Biosphäre einen relativ stabilen Gleichgewichtszustand geschaffen haben. Peter Lemke, ehem. Leiter des Fachbereichs Klimawissenschaften am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und dzt. Leiter der Klimainitiative REKLIM der Helmholtz-Gemeinschaft, beschreibt hier natürliche Ursachen für Klimaschwankungen, die sich auf von Monaten bis hin zu Jahrmillionen reichenden Zeitskalen abspielen.

Unser Klima wird in einem sehr komplexen System geschaffen, dessen Hauptkomponenten Atmosphäre, Ozean, Eismassen und Biosphäre auf dem Land und in den Meeren sind. Dieses System wird von der Sonne angetrieben, wobei die Sonnenenergie durch die Drehung der Erde und die Strahlungseigenschaften der Atmosphäre dann global verteilt wird.

Die Komponenten des Klimasystems wechselwirken miteinander und es finden zwischen ihnen permanent Austauschprozesse statt (Abbildung 1). Es sind dies:

  • ein Austausch von Masse: es regnet – Wasser gelangt von der Atmosphäre in den Ozean – Wasser verdunstet,
  • ein Austausch von Wärme,
  • ein Austausch von Impuls: der Wind streicht über den Ozean, die Reibung regt die Ozeanzirkulation an.

Abbildung 1. Das Klimaproblem ist multidisziplinär. Zwischen den Komponenten des Klimasystems – Atmosphäre, Biosphäre, Land, Ozean und Eismassen – findet ein permanenter Austausch von Wärme, Impuls und Masse statt (grün, blau). Natürlicher Einfluss auf das Klima: lila Pfeile, anthropogener Einfluss: rot schraffierte Pfeile.

Die Randbedingungen für das Klimasystem werden von der Sonne geprägt, inzwischen aber auch von der Einmischung des Menschen – dadurch, dass er die Landoberflächen und die Gaszusammensetzung der Atmosphäre verändert.

Das in diesem System entstehende Klima weist Schwankungen um einen relativ stabilen Gleichgewichtszustand auf. Diese Schwankungen spielen sich auf Zeitskalen ab, die von Monaten bis hin zu Jahrmillionen reichen – dies wird durch geologische Bestimmungen in marinen Sedimenten und Eisbohrkernen, durch Analysen von Baumringen, historische Aufzeichnungen und moderne Messmethoden belegt.

Was sind die treibenden Kräfte von Klimaänderungen?

Natürliche Ursachen von Klimaschwankungen, die von außen kommen:

  • Erst einmal sind dies Änderungen der Sonneneinstrahlung, welche ja die Temperatur auf der Erde bestimmt. Die Sonnenstrahlung ist zurzeit allerdings sehr konstant, selbst der 11-Jahreszyklus („Sonnenzyklus“) ist nur wenig ausgeprägt und reicht energetisch nicht aus, um die aktuellen Klimaschwankungen zu erklären. Andere Änderungen, welche die Sonneneinstrahlung beeinflussen, beruhen auf einem unterschiedlichen Abstand der Erde von der Sonne, Neigungen der Erdachse und Umlaufbahnen: diese Änderungen erfolgen aber auf Zeitskalen von 20 000 Jahren und länger.
  • Kurzfristige Ursachen von Klimaänderungen durch große Vulkanausbrüche erleben wir dagegen immer wieder. So hat in den folgenden ein bis zwei Jahren nach dem Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen (1991) die herausgeschleuderte Asche zu einer Absenkung der mittleren Temperatur um 0,5 °C auf der Nord-Hemisphäre geführt. Derartige Ursachen sind nicht vorhersagbar.

Den Großteil der natürlichen Veränderungen bewirken aber interne Ursachen

Primär entstehen natürliche Klimaschwankungen dadurch, dass die Erde eine Kugel ist, und die Sonneneinstrahlung an den unterschiedlichen Breitegraden unterschiedlich ankommt:

  • Die Tropen empfangen viel mehr Energie als die Polargebiete, dadurch entstehen Temperaturgradienten.
  • Temperaturgradienten können – in Wasser und Luft – nicht stabil nebeneinander bestehen: kalte Luft rutscht sofort unter die warme – es kommt dadurch zu einer Zirkulationsänderung. Die Temperaturgradienten erzeugen Bewegung in der Atmosphäre und im Ozean, die Wärme wird dann polwärts transportiert (Abbildung 2). Beispielsweise transportiert der Golfstrom 1 Petawatt (1015 W) – in Strompreis umgerechnet wären das 31 Millionen €/Sekunde.
  • Die durch die Temperaturunterschiede entstehende Bewegung in der Atmosphäre und im Ozean ist turbulent, laminare Strömungen treten kaum auf. In der Atmosphäre treten Hoch-und Tiefdruckgebiete auf, im Meer Wirbel. (Beispielsweise zeigt der Golfstrom warme Wirbel in einer kalten Umgebung und kalte Wirbel in warmer Umgebung, Abbildung 2.)

Abbildung 2. Temperaturunterschiede erzeugen Bewegungen in Atmosphäre und Ozean (Bilder: oben: ESA, unten: NASA).

Natürliche Klimaschwankungen sind auch eine Folge der Neigung der Erdachse: Dadurch, dass diese schief steht, gibt es Jahreszeiten und damit eine zeitlich unterschiedliche Einstrahlung der Sonne.

Durch die Gravitationseinwirkung der anderen Planeten ändern sich die Neigung der Erdachse und auch die anderen Erdbahnparameter (Präzession, Exzentrizität) und somit ändert sich die Energie, die pro Breitengrad auf der Erde ankommt. Die entsprechenden Perioden von 41 000, 23 000 und 100 000 Jahren findet man auch in allen Klimadaten wieder.

Die Komponenten des Klimasystems sind nicht unabhängig, sie wechselwirken miteinander in komplexer Weise. Diese Wechselwirkungen sind durch vielfältige Rückkopplungen geprägt, die verstärkende oder abschwächende Wirkungen haben (Abbildung 1). Ein Beispiel dafür ist das Eis – Albedo – Temperatur System: Wenn Eisflächen schrumpfen, werden die hellen Flächen kleiner, auf den dunklen Flächen wird mehr Sonnenenergie absorbiert, es wird wärmer und in Folge werden die weißen Eisflächen weiter reduziert. Dieser Prozess kann auch umgekehrt verlaufen.

Dazu kommt, dass die Komponenten des Klimasystems unterschiedliche Reaktionszeiten haben: Die Atmosphäre reagiert schnell – der Durchzug eines Tiefdruckgebiets dauert wenige Tage. Der Ozean reagiert dagegen langsam. Für Änderungen an seiner Oberfläche braucht es einige Monate, in seiner Tiefe tausende Jahre.

  • Veränderungen der Landoberfläche. Dabei hat die Infrastruktur – Städte, Straßen etc. – die wir auf der Erde gebaut haben, nur einen kleineren Anteil an unserem Einfluss. Der größere Teil kommt von den riesigen Flächen, die wir für die Landwirtschaft angelegt haben. Ein Feld reflektiert die Sonnenstrahlung anders als ein Wald.
  • und steigende CO2-Emissionen. Die erwähnte Flächenänderung in den Ökosystemen trägt zum CO2 Anstieg nur 22 % bei. Rund 78 % kommen dadurch zustande, dass wir fossile Energie – Kohle, Öl, Gas – nutzen. Verwenden wir dagegen Holz in dem Ausmaß, in dem es wieder nachwächst, ist das ein Nullsummenspiel: Bäume nutzen das CO2 aus der Luft zur Photosynthese ihrer Biomasse, bei deren Verbrennung wird es wieder freigesetzt. Gemessen an der Zeitskala, die die Natur gebraucht hat, um aus Biomasse fossile Brennstoffe zu generieren, verbrennen wir diese viel zu rasch.

Zur Energiebilanz der Erde

Die Energiebilanz wird durch die Aufnahme der Sonnenenergie und die Wärmeabstrahlung der Erde bestimmt (Abbildung 3).

Abbildung 3. Strahlungsbilanz der Erde. Im thermischen Gleichgewicht wird ebenso viel Sonnenenergie (gelb) aufgenommen, wie Wärmeenergie auch wieder abgestrahlt wird (rot). (Die Strahlungstemperatur T wird in Kelvin (K) – absoluter Temperatur – angegeben; der absolute Nullpunkt 0K liegt bei –273,15 °C)

Energieaufnahme

Wir bekommen von der Sonne am oberen Rand der Atmosphäre 1368 W/m2 (S, Energieflussdichte) geliefert. Davon nimmt die Erde aber nicht alles auf. Was von den Strahlenbündeln der Sonne ausgeschnitten wird, entspricht dem Kreisquerschnitt der Erde multipliziert mit der Energieflussdichte (πr2×S), wobei einiges an Energie, nämlich 30 % durch Wolken, reflektiert wird (α ist die Albedo).

Wärmeabstrahlung

Die Physiker Josef Stefan & Ludwig Boltzmann haben um 1879 herausgefunden, dass die Wärmeabstrahlung eines Körpers proportional zur 4. Potenz seiner absoluten Temperatur und zu seiner Oberfläche erfolgt. Die Proportionalitätskonstante σ ist eine Naturkonstante.

Im thermischen Gleichgewicht wird ebenso viel Energie abgegeben, wie aufgenommen wurde.

Berechnet man nun die Strahlungstemperatur T eines Planeten (Abbildung 4), so sieht man, dass dessen Größe dabei keine Rolle spielt. T ist nur vom Energieangebot der Sonne S und von der Reflektivität α des Planeten abhängig, d.h. von der Helligkeit mit der der Planet nach außen hin erscheint, mit der er die Sonnenstrahlung reflektiert.

Abbildung 4. Strahlungstemperatur T für die Planeten Venus, Erde und Mars.

Wie gewaltig der Einfluss der Reflektivität ist, lässt sich am Vergleich der Abstrahlungstemperatur der drei Planeten Venus, Erde und Mars aufzeigen (Abbildung 4).

  • Für die Erde errechnet man -18 °C, ein Wert, der in der Space-Station mit dem Strahlungsthermometer tatsächlich gemessen wird. Es ist dies die Temperatur mit der die Erde mit dem Weltraum kommuniziert, zum Glück nicht ihre Oberflächentemperatur (s.u.). Selbst, wenn die Erde ganz schwarz wäre, d.h. alle Sonnenenergie absorbierte, kämen wir nur auf eine Strahlungstemperatur von 5 °C. Für die Entwicklung des Lebens, wie wir es heute sehen, eine etwas niedrige Temperatur – ohne den natürlichen Treibhauseffekt wäre das Leben auf der Erde sicher nicht so geworden, wie es heute ist.
  • Die Venus ist dichter an der Sonne, bekommt doppelt so viel Energie, wie die Erde, sie ist aber nach außen hin viel kälter, weil sie ganz hell ist, bewölkt ist . (Innen ist sie aber sehr heiß).
  • Der Mars ist ähnlich hell wie die Erde, aber weiter weg und erhält nur die Hälfte unserer Sonnenenergie; er ist deswegen kalt (-62 °C).

Was ist der Treibhauseffekt?

Wie bereits erwähnt, ist die Abstrahlungstemperatur der Erde nicht gleich der Temperatur am Erdboden: wir haben hier eine Gasschicht (Wasser, CO2, Methan,.. ), die transparent ist für die Sonneneinstrahlung, nicht aber für die langwellige, nach oben gerichtete Wärmeabstrahlung der Erdoberfläche. Diese wechselwirkt mit den Gasteilchen und erwärmt die Lufthülle, die dann Wärme nach oben und unten abstrahlt und damit der Oberfläche einen Teil der Wärmestrahlung zurückgibt (Abbildung 5). Die Atmosphäre absorbiert also einen Teil der thermischen Ausstrahlung der Erdoberfläche.

Abbildung 5. Der Treibhauseffekt der Erde. 38 % der Wärmeabstrahlung (rot) wird in der Gasschichte der Atmosphäre absorbiert und erwärmt diese.

Dieser Anteil (1-β) – der Treibhauseffekt – ergibt sich aus der Oberflächentemperatur von 15 °C und der Strahlungstemperatur am oberen Rand der Atmosphäre von –18 °C: er beträgt 0,38, d.h. 38 % der Abstrahlung, die von der Erdoberfläche ausgeht, wird in der Atmosphäre absorbiert und teilweise wieder zurückgestrahlt.

Im Falle des Planeten Venus kennen wir die Strahlungstemperatur nach außen (-46 °C) und die Oberflächentemperatur (487 °C). Der Treibhauseffekt ist hier 99 %, verursacht durch eine Atmosphäre, die zu 99,2 % aus CO2 besteht.

Schlussfolgerungen

Reflektivität (Albedo) und Treibhauseffekt eines Planeten haben einen enormen Einfluss auf seine Oberflächentemperatur. Hätte die Erde nur eine Wasseroberfläche – ein Ozeanplanet ist dunkel, hat nur 10 % Reflexion -, so kämen wir bei gleichem Treibhauseffekt auf eine Oberflächentemperatur von 32 °C.

Wäre die Erde dagegen völlig vereist (dies soll nach Ansicht einiger Geologen ja einmal der Fall gewesen sein), so wäre die Rückstrahlung des dann weißen Planeten 80 %, die Oberflächentemperatur läge bei gleichem Treibhauseffekt bei -62 °C.

Zurzeit lassen wir die weißen Flächen schrumpfen, weil die Temperaturen durch die erhöhten Treibhausgase in der Atmosphäre steigen. Die Erde wird dunkler, absorbiert mehr Sonnenenergie und wird zusätzlich wärmer.


*Der Artikel basiert auf dem ersten Teil eines Vortrags, den Peter Lemke anlässlich der Tagung „Diversität und Wandel - Leben auf dem Planeten Erde“ gehalten hat, die am 13. Juni 2014 im Festsaal der ÖAW in Wien stattfand. Ein Audio-Mitschnitt und die von ihm gezeigten Bilder finden sich auf der Seite: http://www.oeaw.ac.at/kioes/wandel.htm

Der zweite Teil des Vortrags: „Klimaschwankungen, Klimawandel – wie geht es weiter?“ wird in der folgenden Woche online gestellt.


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