Die Infektion an ihrem Ausgangspunkt stoppen - ein Nasenspray mit Designer-Antikörper gegen SARS-CoV-2

Do, 17.06.2021 — Francis S. Collins

Francis S. CollinsIcon MedizinZur Behandlung von COVID-19 sind derzeit bereits mehrere monoklonale Antikörper (dabei handelt es sich um identische Kopien eines in großer Zahl hergestellten therapeutischen Antikörpers) von den Behörden zugelassen worden. Im Kampf gegen die schlimme Seuche gibt es viel Raum für weitere Verbesserungen zur Behandlung von SARS-CoV-2-Infektionen. Francis S. Collins, ehem. Leiter des Human Genome Projects und langjähriger Direktor der US-National Institutes of Health (NIH), die zusammen mit dem Unternehmen Moderna den COVID-19-Impfstoff mRNA-1723 designt und entwickelt haben, berichtet über einen erfreulichen Fortschritt: mit NIH-Unterstützung wurde ein speziell designter therapeutischer Antikörper entwickelt, der sich mittels Nasenspray verabreichen lässt. Präklinische Studien deuten darauf hin, dass mit diesem neuen Antikörper sogar bessere Wirksamkeit gegen COVID-19 erzielt werden könnte als mit den bereits bestehenden Antikörper-Therapien und dies insbesondere in Hinblick auf die nun ansteigenden „besorgniserregende Varianten“ von SARS-CoV-2. *

Design eines neuen Antikörpers vom IgM-Typ

Es sind dies Ergebnisse, die von Zhiqiang An (Health Science Center der University of Texas; Houston), und Pei-Yong Shi (University of Texas Medical Brach, Galveston) und deren Kollegen stammen [1]. Das von den NIH unterstützte Team hat begriffen, dass alle derzeit verwendeten monoklonalen Antikörper eine zeitaufwendige, intravenöse Infusion in hohen Dosierungen erfordern, wodurch ihre Anwendung an Grenzen stößt. Dazu kommt, dass die Antikörper - da sie ja erst über den Blutkreislauf verteilt werden müssen - die primären Orte der Virusinfektion im Nasen-Rachenraum und in der Lunge nicht direkt erreichen können. Zudem mehren sich auch zunehmend Andeutungen, dass einige dieser therapeutischen Antikörper gegen die nun aufkommenden neuen SARS-CoV-2-Varianten weniger wirksam werden.

Von Antikörpern gibt es verschiedene Typen. Immunglobulin-G (IgG)-Antikörper sind beispielsweise die im Blut am häufigsten vorkommenden Antikörper und sie haben das Potential eine anhaltende Immunität zu verleihen. Immunglobulin-A (IgA)-Antikörper finden sich in Tränen, Mukus (Schleim) und anderen Körpersekreten, wo sie in unseren Körpern die feuchte innere Auskleidung (Mukosa, Schleimhaut) von Atemwegen und Magen-Darm-Trakt schützen. Immunglobulin-M (IgM)-Antikörper sind ebenso wichtig um die Oberflächen der Schleimhäute zu schützen und sie werden als Erste im Kampf gegen eine Infektion gebildet. Abbildung 1.

Abbildung 1.Verschiedene Typen von Antikörpern. Das Grundprinzip (IgG) besteht aus zwei schweren Ketten und zwei leichten Ketten, wobei variable Regionen an der Spitze der schweren und leichten Ketten selektiv ein Antigen nach dem "Schlüssel-Schloss-Prinzip" umschließen (links) . IgA besitzt 2 der IgG-Einheiten, das IgM der Säugetiere 5 IgG- Einheiten, die über Disulfidbrücken und eine verbindende Peptidkette miteinander verbunden sind. Verglichen mit IgG-Antikörpern können IgA-Antiköper somit mit der doppelten Anzahl von viralen Antigenen, IgM-Antikörper mit der fünffachen Anzahl reagieren.(Bild modifiziert nach https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2221_Five_Classes_of_Antibodies_new.jpg. License cc-by. Bild und Text von der Redaktion eingefügt.)

IgA- und IgM-Antikörper unterscheiden sich zwar strukturell, können aber beide in einem inhalierten Spray verabreicht werden. Monoklonale Antikörper, wie sie derzeit zur Behandlung von COVID-19 verwendet werden, sind allerdings vom IgG-Typ, der intravenös infundiert werden muss.

In der neuen Studie haben die Forscher nun IgG-Fragmente mit bekannter Affinität zu SARS-CoV-2 zu den zuerst auftretenden IgM-Antikörpern zusammengesetzt. Der so designte IgM-Antikörper (sie bezeichnen ihn mit IgM-14) kann SARS-CoV-2 mehr als 230-mal besser neutralisieren als der IgG-Antikörper, von dem sie ursprünglich ausgegangen sind.

Wichtig ist, dass IgM-14 auch exzellente Aktivität in der Neutralisierung von besorgniserregenden SARS-CoV-2-Varianten besitzt. Dazu gehören die B.1.1.7 „Großbritannien“ Variante (jetzt auch Alpha genannt), die P.1 „brasilianische“ Variante (genannt Gamma) und die B.1.351 „südafrikanische“ Variante (genannt Beta). IgM-14 wirkt auch gegen 21 andere Varianten, die Veränderungen in der Rezeptorbindungsdomäne des besonders wichtigen viralen Spikeproteins aufzeigen. Dieses Protein, das es SARS-CoV-2 ermöglicht in menschliche Zellen einzudringen und diese zu infizieren, ist die hauptsächliche Zielstruktur für Antikörper. Man rechnet damit, dass viele dieser Veränderungen das Virus resistenter gegen die monoklonalen IgG-Antikörper machen, die jetzt von der FDA für den Notfallgebrauch zugelassen sind.

Wirksamkeit im Tierversuch

Würde der designte IgM-14 Antikörper ein lebendes Tier vor einer Coronavirus-Infektion schützen können? Die Forscher haben dies in einem Tierversuch an Mäusen geprüft. Dazu haben sie eine Einzeldosis des IgM-14-Antikörpers in die Nase von Mäusen gesprüht entweder prophylaktisch sechs Stunden vor einer Exposition mit SARS-CoV-2 oder als therapeutische Behandlung sechs Stunden nach der Infektion mit den Varianten P.1 (Gamma) oder B.1.351 (Beta).

Abbildung 2.Ein erfolgsversprechendes intranasales Spray zur Prävention und Therapie von COVID-19? Der pentavalente IgM - Antikörper (gelb) kann das Spikeprotein an der Virusoberfläche effizient abblocken. (Text von der Redn eingefügt.)

In allen Fällen erwies sich der so angewandte Antikörper als wirksam: zwei Tagen nach der Applikation war - im Vergleich zu den Kontrollgruppen - die Menge an SARS-CoV-2 in der Lunge drastisch reduziert. Dies ist ein wichtiger Befund: schwere Verläufe von COVID-19 und Todesfälle sind ja eng mit der Virusmenge im Atmungstrakt von Infizierten korreliert. Falls sich der neue therapeutische Antikörper beim Menschen als sicher und wirksam erweist, könnte er zu einem wichtigen Mittel werden, um die Schwere von COVID-19 zu reduzieren oder vielleicht sogar eine Infektion ganz zu verhindern. Abbildung 2.

Die Forscher haben diesen neuen Antikörper bereits an einen Biotechnologie-Partner namens IGM Biosciences, Mountain View, CA, für die weitere Entwicklung und künftige Tests in einer klinischen Studie auslizenziert. Wenn alles gut geht, können wir hoffen damit ein sicheres und wirksames Nasenspray zu haben, um als zusätzliche Verteidigungslinie im Kampf gegen COVID-19 zu dienen.


[1]Nasal delivery of an IgM offers broad protection from SARS-CoV-2 variants. Ku Z, Xie X, Hinton PR, Liu X, Ye X, Muruato AE, Ng DC, Biswas S, Zou J, Liu Y, Pandya D, Menachery VD, Rahman S, Cao YA, Deng H, Xiong W, Carlin KB, Liu J, Su H, Haanes EJ, Keyt BA, Zhang N, Carroll SF, Shi PY, An Z. Nature. 2021 Jun 3


*Dieser Artikel von NIH Director Francis S. Collins, M.D., Ph.D. erschien zuerst (am 15. Juni 2021) im NIH Director’s Blog unter dem Titel: "Could a Nasal Spray of Designer Antibodies Help to Beat COVID-19?"  https://directorsblog.nih.gov/2021/06/15/could-a-nasal-spray-of-designer-antibodies-help-to-beat-covid-19/. Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und geringfügig für den Blog adaptiert. Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH).


Weiterführende Links

NIH: Covid-19 Research  https://covid19.nih.gov/

Zhiqiang An (The University of Texas Health Science Center at Houston)

Pei-Yong Shi (The University of Texas Medical Branch at Galveston)

IGM Biosciences (Mountain View, CA)

 Artikel von Francis S. Collins über COVID-19 im ScienceBlog