Alternsforschung: Proteine im Blut zeigen Ihr Alter an

Do, 19.12.2019 — Francis S. Collins

Francis S. CollinsIcon MedizinAltern dominiert als Risikofaktor für eine Reihe chronischer Krankheiten, welche verkürzend auf die Lebenszeit wirken. Die an Mäusen erhobene Hypothese, dass Proteine im Blut auf den Alterungsprozess einwirken, wurde in einer neuen Studie an Blutproben von mehr als 4 200 Personen im Alter von 18 - 95 Jahren untersucht und charakteristische altersabhängige, in Schüben erfolgende Veränderungen im Proteom (d.i die Gesamtheit der Proteine im Blut) beobachtet. Auf Basis von 373 (von insgesamt 3000) altersabhängigen Proteinen wurde eine Proteom-Uhr erstellt , die eine genaue Altersbestimmung von Testpersonen erlaubt. Francis S. Collins - Pionier der Genforschung und seit 10 Jahren Direktor der US-National Institutes of Health ( NIH) - berichtet über diese NIH-unterstützte Studie.*

Wie verändern sich im Alterungsprozess die Spiegel der Proteine im Blut?

Wie lässt sich feststellen, wie alt jemand ist?

Natürlich kann man in dessen Führerschein nachsehen oder nach Anzeichen von Gesichtsfalten und grauem Haar suchen. Wie allerdings Forscher in einer eben veröffentlichten neuen Studie herausgefunden haben, kann man der richtigen Antwort auch durch eine Blutuntersuchung ziemlich nahe kommen.

Das mag überraschend erscheinen. In einer kürzlich durchgeführten Studie, die im Journal Nature Medicine veröffentlicht wurde [1], gelang es einem NIH-geförderten Forscherteam jedoch, das Alter von Personen recht zuverlässig zu bestimmen, indem sie Blutproben auf die Konzentration von einigen hundert Proteinen untersuchten. Die Ergebnisse bieten wichtige neue Einblicke in das, was geschieht, wenn wir älter werden. Beispielsweise weist das Team darauf hin, dass der biologische Alterungsprozess nicht gleichförmig verläuft, sondern sich zeitweise zu beschleunigen scheint - wobei die größten Schübe im Durchschnitt im Alter um die 34, 60 und 78 Jahre auftreten.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es eines Tages könnte möglich werden könnte mit Hilfe einer Blutuntersuchung Personen zu identifizieren, die biologisch schneller altern als andere (Abbildung 1). Solche Menschen wären bereits in jüngeren Jahren einem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Alzheimer-Krankheit, degenerative Gelenksveränderungen und andere altersbedingte Gesundheitsprobleme ausgesetzt.

Abbildung 1. Aus einer Blutprobe das Alter bestimmen. (Credit: Adapted from iStock/jarun011)

Darüber hinaus erweckt diese Studie die Hoffnung auf Behandlungen, welche die Proteom-Uhr (Proteom bedeutet hier die Gesamtheit der Proteine im Blut; Anm. Redn.) verlangsamen und Menschen helfen biologisch vielleicht jünger zu sein als es ihrem chronologischen Alter entspricht. Ein solches Szenario mag sich wie reine Phantasie anhören, aber die Forschergruppe der derzeitigen Studie hat schon vor einigen Jahren gezeigt, dass es tatsächlich möglich ist, eine ältere Maus zu verjüngen, wenn man ihr Blut von einer viel jüngeren Maus infundiert.

Die Proteom-Uhr

Diese und frühere Ergebnisse aus dem Labor von Tony Wyss-Coray (Stanford School of Medicine;(Palo Alto, Kalifornien), hatten auf die reizvolle Möglichkeit hingedeutet, dass im Blut junger Individuen bestimmte Substanzen vorhanden sind, die das alternde Gehirn und andere Körperteile verjüngen können. Auf der Suche nach weiteren Hinweisen untersuchte das Wyss-Coray-Team nun, wie sich die Zusammensetzung der Proteine im Blut mit steigendem Alter der Menschen ändert.

Zu diesem Zweck isolierten sie Plasma von mehr als 4.200 gesunden Personen im Alter von 18 bis 95 Jahren. Die Daten von mehr als der Hälfte der Teilnehmer verwendeten die Forscher dann, um eine Proteom-Uhr des Alterns zu erstellen. Diese Uhr konnte das chronologische Alter der verbleibenden 1.446 Studienteilnehmer innerhalb gewisser Grenzen genau vorhersagen. Die besten Vorhersagen basierten dabei auf nur 373 der insgesamt fast 3.000 mit der Uhr korrelierten Proteine.

Als weitere Validierung konnte die Proteom-Uhr auch das korrekte chronologische Alter von vier Personengruppen zuverlässig vorhersagen, die nicht an der Studie teilgenommen hatten. Interessanterweise war es möglich, eine vernünftige Aussage über das Alter bereits auf Grundlage von nur neun der aussagekräftigsten Proteine ​​der Uhr zu treffen.

Rolle im Alterungsprozess

Die Ergebnisse zeigen, dass mit dem Alter charakteristische Veränderungen im Proteom auftreten und wahrscheinlich wichtige und bisher unbekannte Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Die im Blutkreislauf zirkulierenden Proteine stammen ​​schließlich nicht nur aus Blutzellen, sondern auch aus Zellen im gesamten Körper. Interessanterweise berichten die Forscher, dass Menschen, die aufgrund ihrer Blutproteine ​​biologisch jünger als ihr tatsächliches chronologisches Alter erschienen, auch bei kognitiven und physischen Tests bessere Ergebnisse erzielten.

Die meisten von uns betrachten das Altern als einen graduellen, linearen Prozess. Die Ergebnisse der Proteomstudie legen jedoch nahe, dass biologisch gesehen das Altern einem komplexeren Muster folgt. Einige Proteine ​​stiegen mit der Zeit allmählich auf fast lineare Weise an oder nahmen ab. Aber die Spiegel vieler anderer Proteine ​​veränderten sich mit der Zeit wesentlich stärker. Beispielsweise blieb ein neuronales Protein im Blut bis zum Alter von etwa 60 Jahren konstant und stieg dann an. Warum das so ist, muss noch geklärt werden.

Wie bereits erwähnt, konnten die Forscher zeigen, dass der Alterungsprozess in einer Reihenfolge von drei Schüben abläuft. Wyss-Coray sagte, es sei besonders interessant, dass der erste Schub in der frühen Lebensmitte um das 34. Lebensjahr stattfindet, noch lange bevor sich die üblichen Anzeichen des Alterns und die damit verbundenen Gesundheitsprobleme bemerkbar machen.

Dass Männer und Frauen unterschiedlich altern, ist allgemein bekannt; die Proteomstudie ergänzt die diesbezüglichen Beweise. Rund zwei Drittel der Proteine, die sich mit dem Alter veränderten, zeigten auch Geschlechtsunterschiede. Der Effekt des Alterns auf die wichtigsten Proteine ​​der Uhr ist jedoch viel stärker ist als die geschlechtsspezifischen Unterschiede, daher kann die proteomische Uhr das Alter bei allen Menschen genau vorhersagen.

Fazit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Proteine im Blut ein brauchbares Maß für das chronologische und biologische Alter einer Person darstellen können und dass - zusammen mit früheren Studien von Wyss-Coray - diese Proteine eine aktive Rolle im Alterungsprozess spielen können. Wie Wyss-Coray sagt, will sich sein Team nun intensiver mit den Befunden befassen, um mehr über die Herkunft bestimmter Proteine ​​im Blutkreislauf zu erfahren, darüber was sie für unsere Gesundheit bedeuten und wie man die Proteom-Uhr möglicherweise zurückdrehen kann.


[1] Lehallier B, et al., Undulating changes in human plasma proteome profiles across the lifespan. Nat Med. 2019 Dec;25(12):1843-1850. (Das Paper ist nicht frei zugänglich; Anm. Redn.)


* Dieser Artikel von NIH Director Francis S. Collins, M.D., Ph.D. erschien zuerst (am 17. Dezember 2019) im NIH Director’s Blog unter dem Titel: "Aging Research: Blood Proteins Show Your Age" https://directorsblog.nih.gov/2019/12/17/aging-research-plasma-proteins-show-your-age/ und wurde geringfügig für den ScienceBlog adaptiert. Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH).


Weiterführende Links

Die Horvath'sche Uhr zur Altersbestimmung: Norbert Bischofberger, 24.05.2018: Auf dem Weg zu einer Medizin der Zukunft.