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Schützende Antikörper bleiben nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion monatelang bestehen

Do, 22.10.2020 — Francis S. Collins

Francis S. CollinsIcon Medizin Die USA sind ein Hotspot für SARS-CoV-2 verursachte Infektionen: über 8,2 Millionen Menschen wurden dort bis jetzt positiv auf das Virus getestet, über 221 000 sind an/mit der Erkrankung COVID-19 gestorben. Häufig wird die Frage gestellt, ob bei Personen, die sich von der Krankheit wieder erholt haben, die einmal erfolgte Abwehr von SARS-CoV-2 dazu geführt hat, dass das Immunsystem sie nun vor einer erneuten Infektion schützt. Und, sollte dies der Fall sein, wie lange diese „erworbene Immunität“ anhalten wird. Zwei neue Studien geben darauf eine positive Antwort. Francis S. Collins berichtet über diese Ergebnisse. Collins, ehem. Leiter des "Human Genome Project" ist langjähriger Direktor der US-National Institutes of Health (NIH), die in Zusammenarbeit mit der Biotech-Firma Moderna (Cambridge, MA) in Rekordzeit einen spezifischen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt haben, dessen klinische Testung in Phase 3 in den nächsten Monaten zu Ende gehen wird.*

Schützt eine einmal überstandene SARS-CoV-2-Infektion vor einer Neuinfektion?

Frühe, bereits Ende April publizierte Befunde haben Anlass zur Hoffnung gegeben, dass eine gegen das Virus erworbene Immunität möglich wäre. Allerdings gab es dann einige nachfolgende Studien, die darauf hindeuteten, dass der Immunschutz nur von kurzer Dauer sein könnte. Zwei kürzlich in der Fachzeitschrift Science Immunology veröffentlichte neue Studien stützen die frühen Befunde und bieten - auch wenn weitergehende Untersuchungen erforderlich sind - einen besseren Einblick in die Art der menschlichen Immunantwort auf dieses Coronavirus [1,2].

Wie die neuen Ergebnisse zeigen, produzieren Menschen, die eine COVID-19-Infektion überstehen, noch mindestens drei bis vier Monate nach dem Auftreten der ersten Symptome schützende Typen von Antikörpern gegen wesentliche Bausteine des Virus. Einige andere Antikörpertypen nehmen dagegen schneller ab. Die Ergebnisse lassen hoffen, dass mit dem Virus infizierte Menschen einen anhaltenden Antikörperschutz gegen eine erneute Infektion haben werden, wobei noch zu bestimmen ist, wie lange dieser Schutz andauert. 

Abbildung 1. Künstlerische Darstellung eines SARS-CoV-2 Virus (orange), der an seiner Oberfläche mit Antikörper bedeckt ist (weiß), die von einer B-Immunzelle (grau, am unteren linken Rand) produziert werden. Credit: iStock/selvanegra

Entwicklung von Antikörpertypen nach Infektion mit SARS-CoV-2

Eine der beiden, teilweise von den NIH finanzierten Studien fand unter der Leitung von Richelle Charles vom Massachusetts General Hospital in Boston statt. Die Forscher versuchten hier besser zu verstehen, wie eine Antikörperantwort auf die Infektion mit SARS-CoV-2 erfolgt. Dazu rekrutierten sie 343 Patienten, von denen die meisten schwer an COVID-19 erkrankt waren und einer stationären Krankenhausbehandlung bedurften. In den Blutproben dieser Patienten untersuchten sie dann die Antikörperantwort, die diese bis zu 122 Tage nach Auftreten der Symptome entwickelten und verglichen sie mit Antikörpern in mehr als 1.500 Blutproben, die vor Beginn der Pandemie gesammelt worden waren.

In den Blutproben beschrieben die Forscher die Entstehung von drei Typen von Antikörpern gegen die Domäne des viralen Spikeproteins, mit dem dieses an den Rezeptor der Wirtszelle (ACE2-Rezeptor) andockt. Der erste Antikörper-Typ war ein Immunglobulin G (IgG), welches das Potenzial hat, eine anhaltende Immunität zu verleihen. Der zweite Typ war Immunglobulin A (IgA), das vor Infektionen auf den Schleimhautoberflächen des Körpers schützt, wie sie in den Atemwegen und im Magen-Darm-Trakt zu finden sind, und das in hohen Mengen in Tränen, Schleim und anderen Körpersekreten enthalten ist. Der dritte Typ war ein Immunglobulin M (IgM), das der Körper als erstes produziert, wenn er eine Infektion bekämpft.

Alle drei Antikörper-Typen konnten etwa 12 Tage nach der Infektion nachgewiesen werden. Die IgA- und IgM-Antikörper gegen das Spike-Protein waren allerdings kurzlebig und innerhalb von etwa zwei Monaten verschwunden.

Die gute Nachricht: bei denselben Patienten hielten die länger andauernden IgG-Antikörper bis zu vier Monate an, also solange die Forscher diese verfolgen konnten. Die Spiegel dieser IgG-Antikörper dienten im Labor auch als Indikator für das Vorhandensein von schützenden Antikörpern, die SARS-CoV-2 neutralisieren können. Die noch bessere Nachricht: die neutralisierende Wirkung nahm während 75 Tagen nach Auftreten der Symptome nicht ab. Wenn hier auch längerdauernde Studien erforderlich sind, so stützen die Ergebnisse den Nachweis, dass schützende Antikörperantworten gegen das neue Virus bestehen bleiben.

Die zweite Studie kam zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Das Team unter der Leitung von Jennifer Gommerman und Anne-Claude Gingras, Universität von Toronto, Kanada, beschrieb die gleichen drei Arten von Antikörperantworten gegen das SARS-CoV-2-Spike-Protein. Die Antikörper-Profile waren aus Blut- und Speichelproben von 439 Personen erhalten worden, die 3 bis 115 Tage zuvor COVID-19-Symptome entwickelt hatten; allerdings mussten nicht alle stationär im Krankenhaus behandelt werden. Das Team verglich dann die Antikörperprofile der COVID-19-Patienten mit denen von Personen, die COVID-19-negativ waren.

Die Forscher fanden heraus, dass die Antikörper gegen SARS-CoV-2 in Blut und Speichel leicht nachgewiesen werden konnten. Die IgG-Spiegel erreichten etwa zwei Wochen bis einen Monat nach der Infektion einen Höchstwert und blieben dann länger als drei Monate stabil. Ähnlich wie beim Bostoner Team sanken auch bei der kanadischen Gruppe die IgA- und IgM-Antikörperspiegel rapide.

Ausbreitung von SARS-CoV-2 durch Antikörpertests verfolgt

Die Ergebnisse legen nahe, dass Antikörpertests als wichtiges Instrument zur Verfolgung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 in unseren Gesellschaften dienen können. Im Gegensatz zu Tests auf das Virus selbst bieten Antikörpertests ein Mittel zum Nachweis von Infektionen, die irgendwann in der Vergangenheit aufgetreten sind, einschließlich solcher, die möglicherweise asymptomatisch verliefen.

Die Ergebnisse des kanadischen Teams legen ferner nahe, dass Tests von IgG-Antikörpern im Speichel ein bequemer Weg sein können, um die erworbene Immunität einer Person gegen COVID-19 zu verfolgen.

Da IgA- und IgM-Antikörper schneller abnehmen, könnte ein Testen auf diese unterschiedlichen Antikörpertypen auch dazu beitragen, um zwischen einer Infektion innerhalb der letzten zwei Monate und einer, die sich noch früher ereignete, zu unterscheiden. Solche Details sind wichtig, um Lücken in unserem Verständnis von COVID-19-Infektionen zu füllen und deren Ausbreitung in unseren Gesellschaften zu verfolgen.

Dennoch, es gibt einige wenige Berichte von Personen, die den Kampf mit COVID-19 überstanden haben und einige Wochen später mit einem anderen SARS-CoV-2-Stamm infiziert wurden [3]. Die Seltenheit solcher Berichte legt jedoch nahe, dass die nach einer SARS-CoV-2-Infektion erworbene Immunität im Allgemeinen schützend ist.

Es bleiben noch viele Fragen offen; um diese zu beantworten müssen ausgedehntere Studien mit einer größeren Diversität an Personen, die COVID-19 überstanden haben, durchgeführt werden. Es freut mich daher, dass das National Cancer Institute (NCI) der NIH kürzlich das NCI Serological Sciences Network für COVID19 (SeroNet) ins Leben gerufen hat, das nun das größte koordinierte Vorgehen des Landes zur Charakterisierung der Immunantwort auf COVID-19 darstellt [4].


[1] Persistence and decay of human antibody responses to the receptor binding domain of SARS-CoV-2 spike protein in COVID-19 patients. Iyer AS, Jones FK, Nodoushani A, Ryan ET, Harris JB, Charles RC, et al. Sci Immunol. 2020 Oct 8;5(52):eabe0367.

[2] Persistence of serum and saliva antibody responses to SARS-CoV-2 spike antigens in COVID-19 patients. Isho B, Abe KT, Zuo M, Durocher Y, McGeer AJ, Gommerman JL, Gingras AC, et al. Sci Immunol. 2020 Oct 8;5(52):eabe5511.

[3] What reinfections mean for COVID-19 . Iwasaki A. Lancet Infect Dis, 2020 October 12. [Epub ahead of print]

[4] NIH to launch the Serological Sciences Network for COVID-19, announce grant and contract awardees. National Institutes of Health. 2020 October 8.


*Dieser Artikel von NIH Director Francis S. Collins, M.D., Ph.D. erschien zuerst (am 20. Oktober 2020) im NIH Director’s Blog unter dem Titel: "Two Studies Show COVID-19 Antibodies Persist for Months" https://directorsblog.nih.gov/2020/10/20/two-studies-show-covid-19-antibodies-persist-for-months/. Er wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und geringfügig (mit einigen Untertiteln) für den ScienceBlog adaptiert. Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH).


Weiterführende Links

NIH: Coronavirus (COVID-19) https://www.nih.gov/coronavirus

National Cancer Institute/NIH: NCI Serological Sciences Network for COVID-19 (SeroNet) https://www.cancer.gov/research/key-initiatives/covid-19/coronavirus-research-initiatives/serological-sciences-network

Artikel von Francis S. Collins zu COVID-19 im ScienceBlog:

  • Francis S. Collins, 16.07.2020: Fortschritte auf dem Weg zu einem sicheren und wirksamen Coronaimpfstoff - Gepräch mit dem Leiter der NIH-COVID-19 Vakzine Entwicklung
  • Francis S. Collins, 07.05.2020: Die wichtigsten zellulären Ziele für das neuartige Coronavirus
  • Francis S. Collins, 05.03.2020: Strukturbiologie weist den Weg zu einem Coronavirus-Impfstoff

 

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