Wieviel CO₂ können tropische Regenwälder aufnehmen?

Wieviel CO₂ können tropische Regenwälder aufnehmen?

Do, 15.08.2019 — IIASA

IIASAIcon GeowissenschaftenAktuelle Klimamodelle deuten darauf hin, dass Bäume weiterhin von Menschen verursachte Treibhausgasemissionen aus der Atmosphäre entfernen, was es ermöglicht, die im Pariser Abkommen festgelegten Ziele einzuhalten. Bereits vor einigen Jahren hat Christian Körner (im Swiss Canopy Project ) in einem naturbelassenen Mischwald den Effekt einer experimentellen Anreicherung von CO2 in den Kronen hoher Bäume auf deren Zunahme von Biomasse untersucht und gezeigt, dass diese von der Verfügbarkeit von Nährstoffen im Boden abhängt [1]. Zu einem ähnlichen Ergebnis ist nun ein internationales Teams mit Forschern von IIASA für die Regenwälder des Amazonas gelangt (Amazon FACE-Projekt): die Aufnahmekapazität der Bäume von zusätzlichem (menschengemachtem) CO2 könnte durch die Verfügbarkeit von Bodenphosphor stark eingeschränkt werden.*

Bäume nehmen das Treibhausgas CO2 über ihre Blätter auf und verwandeln es in Sauerstoff und Biomasse. Nach Schätzungen des Internationalen Panels für Klimawandel (IPCC) absorbiert so allein der Amazonas-Regenwald (Abbildung 1) rund ein Viertel des CO2, das jedes Jahr durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt wird.

Abbildung 1. Die Regenwälder am Amazonas setzen rund ein Viertel des aus fossilen Brennstoffen entstehenden CO2 in Biomasse um. (Bild: lubasi - Catedral Verde - Floresta Amazonica, CC BY-SA 2.0)

Die aktuellen globalen Klimamodelle gehen davon aus, dass diese Kapazität auch in Zukunft erhalten bleibt und zwar auf Grund aufgrund des sogenannten CO2-Düngeeffekts: dieser besagt, dass steigende CO2-Werte das Vegetationswachstum fördern, indem sie die Rate der Photosynthese beschleunigen, welche die Grundlage für die Biomasse-Produktion von Pflanzen ist.

Abholzung, Ausweitung der landwirtschaftlich betriebenen Flächen und steigende Temperaturen lassen jedoch die Speicherkapazität der Amazonas-Wälder an ihr Limit gelangen und nach Meinung der Forscher ist es nicht absehbar, wie lange diese Wälder noch eine Senke für Kohlenstoff bleiben werden (Senke bedeutet, dass sie via Photosynthese mehr Kohlenstoff aufnehmen als sie via Atmung abgeben; Anm. Redn.).  Ein internationales Team, an dem auch Forscher des IIASA teilnahmen, untersuchte diese Frage anhand von Daten aus dem ersten tropischen FACE-Experiment (FACE = Free Air CO2 Enrichment), das mitten im Amazonas-Regenwald durchgeführt wurde.

Das Amazon FACE-Projekt

an einem etwa 70 Kilometer nördlich von Manaus, Brasilien, gelegenen Studienstandort weist einen einzigartigen technischen Versuchsaufbau auf: um realitätsnahe Untersuchungen zu ermöglichen, wie sich künftige CO2-Konzentrationen auf das Ökosystem auswirken werden, wird die CO2-Konzentration um Bäume herum künstlich erhöht. Abbildung 2. Die Forscher beobachten dann, wie die Bäume wachsen und sich im oberirdischen Teil die Blätter entwickeln, verfolgen aber auch das Wachstum der Wurzeln und was im Boden darunter geschieht.

Abbildung 2. Das Amazon FACE-Project. An insgesamt 8 Stellen des Studienstandortes bilden jeweils 16 Stahltürme einen Ring, von denen aus die Bäume bis in die Baumspitzen über 10 Jahre täglich mit  CO2 besprüht ("gedüngt") werden.  Die Auswirkung der CO2-Düngung auf Biomasse und Wurzelwachstum in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Ressourcen im Boden wird kontinuierlich untersucht. (Bild: screenshot aus TU München (24.04.2019) "Das Amazon FACE-Projekt: Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf den Regenwald?". Video 8:16 min. https://www.youtube.com/watch?v=YiYtR70j18Q)

Ökosystemmodelle

In ihrem im Fachjournal Nature Geoscience veröffentlichten Artikel [2] haben die Forscher nun eine Reihe von Ökosystemmodellen angewandt, um herauszufinden, inwieweit das Angebot von Nährstoffen im Boden die Produktion von Biomasse in tropischen Wäldern limitieren könnte.

„Mit diesem Zusammenhang hat sich bisher niemand eingehend befasst“, erklärt Katrin Fleischer, Forscherin an der Technischen Universität München (TUM) und Erstautorin der Studie. „Die meisten Ökosystemmodelle, mit denen die künftige Entwicklung von Ökosystemen simuliert werden kann, wurden für gemäßigte Breiten entwickelt, in denen im Allgemeinen genügend Phosphor vorhanden ist. In vielen Teilen des Amazonasgebiets ist dieses Element jedoch rar - das Ökosystem ist mehrere Millionen Jahre alt und der Boden ist dementsprechend bereits ausgelaugt.“

Die Forscher haben 14 verschiedene Ökosystemmodelle angewandt, um zu untersuchen wie der Regenwald auf einen Anstieg der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre reagiert. Mit diesen Modellen haben sie dann die Produktion von Biomasse für die nächsten 15 Jahre simuliert: zunächst für die derzeitige CO2-Konzentration von 400 ppm und in einem zweiten Szenario für eine erhöhte Konzentration von 600 ppm.

Die Ergebnisse der Modellrechnungen

zeigen nun, dass Bäume tatsächlich zusätzliches CO2 aufnehmen und in pflanzliche Biomasse umwandeln, jedoch nur dann, wenn ausreichend Phosphor zur Verfügung steht. Bei unzureichender Versorgung mit Phosphor nimmt der CO2-Düngeeffekt erheblich ab. Die verschiedenen Modelle, die unterschiedliche Faktoren berücksichtigen, sagen eine mögliche Reduzierung der Aufnahme von zusätzlichem CO2 um durchschnittlich 50% voraus, einige Modelle - je nach Szenario - sogar eine Reduzierung von bis zu 100% .

Nach Ansicht der Forscher könnte dies darauf hindeuten, dass der Regenwald bereits an seinem Limit zur Absorption der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen angelangt sein könnte. Sollte sich dieses Szenario als zutreffend erweisen, würde sich das Erdklima viel schneller erwärmen als bisher angenommen wurde.

„Die meisten Modelle versuchen, die Komplexität des Klimasytems zu reduzieren; es könnten daher wichtige Ökosystemprozesse fehlen, die essentielle Rückkopplungen beinhalten und somit zu einer Überschätzung des CO2-Düngungseffekts führen“, sagt Florian Hofhansl, Postdoktorand am IIASA und einer der Studie Co-Autoren. "Das Amazon FACE-Experiment wird uns neue Erkenntnisse für die Modellentwicklung liefern, die es uns ermöglichen sollten, zuverlässigere Vorhersagen zu treffen und damit zukünftige Projektionen zu verbessern.“

Die Autoren der Studie merken dazu an, dass man noch ausführlicher untersuchen muss, wie das Ökosystem reagieren wird - ob Bäume in der Lage sein werden durch enzymatische Prozesse mehr Phosphor aus dem Boden zu erhalten oder indem sie mehr Wurzeln bilden und Symbiosen eingehen, die ihnen seltene Nährstoffe verschaffen können.

Was allerdings beeits vollkommen klar ist: Regenwälder sind keine unendlich großen Senken für CO2 und das Waldgebiet am Amazonas muss erhalten bleiben.


* Der von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzte Artikel ist am 6. August 2019 auf der IIASA Webseite unter dem Titel: "How much carbon dioxide can tropical forests absorb?" erschienen (https://www.iiasa.ac.at/web/home/about/news/190805-CO2-fertilization-effect.html). IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung von Inhalten seiner Website und Presseaussendungen in unserem Blog zugestimmt. Der Text wurde von der Redaktion durch passende Abbildungen  und Legenden ergänzt.


[1] Christian Körner, 29.07.2016: Warum mehr CO₂ in der Atmosphäre (meistens) nicht zu einem Mehr an Pflanzenwachstum führt.

[2] Fleischer K, Rammig A, De Kauwe M, Walker A, Domingues T, Fuchslueger L, Garcia S, Goll D, et al. (2019). Amazon forest response to CO2 fertilization dependent on plant phosphorus acquisition. Nature Geoscience DOI: 10.1038/s41561-019-0404-9ID [pure.iiasa.ac.at/16021]


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Redaktion Tue, 13.08.2019 - 21:58