Klimawandel kann die Verbreitung von Pflanzenpathogenen steigern

Do, 19.08.2021 — Redaktion

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  Die globale Nahrungssicherung hängt in erster Linie von der Produktion von Kulturpflanzen und deren Ernteerträgen ab. Eine neue Studie untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf die Produktion wichtiger Pflanzensorten und findet zwar deren gesamthafte Intensivierung, zum Teil weil neue Anbaugebiete in höheren Breitegraden erschlossen werden. Allerdings deuten die Modelle auch darauf hin, dass die Erwärmung die Ausbreitung pathogener Erreger von Pflanzenkrankheiten (wie Pilzen und Oozyten) forcieren und damit potentielle Ertragssteigerungen beeinträchtigen wird.*

Prognosen zur landwirtschaftlichen Produktivität .......

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft wären etwas weniger kompliziert, wenn sie sich in einer Welt abspielten, in der die Kulturpflanzen frei von ihren Mikroben wären. In solch einer hypothetischen Landschaft würden - laut einer eben veröffentlichten Studie - die steigenden globalen Temperaturen die gesamte landwirtschaftliche Produktivität intensivieren, zum Teil weil neue, den Polen nahe Anbaugebiete erschlossen werden, die zuvor zu kalt für die Landwirtschaft waren [1].

...müssen auch die Interaktion von Pflanzen mit ihren Krankheitserregern berücksichtigen

Die obige Folgerung vereinfacht aber zu stark, sagt Studienautor Dan Bebber, ein Ökologe an der University of Exeter in Großbritannien. Nach den Ergebnissen, die in derselben Studie im Journal Nature Climate Change veröffentlicht wurden, wird die globale Erwärmung auch die Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten steigern [1]. Deren Erreger (d.i. Pflanzenpathogene) können potenzielle mit dem Klimawandel einhergehende Ertragssteigerungen beeinträchtigen. Abbildung 1.

Abbildung 1. Pilzinfektion einer Kaffeepflanze. Der Pilz Hemileia vastarix hat eine Pflanze auf der Kaffeeplantage in Costa Rica befallen. (Bild: Edwin Remsberg via Getty Images)

Die meisten Modell-Untersuchungen haben sich bis jetzt auf die Auswirkungen des Klimawandels auf landwirtschaftliche Produkte ohne deren ungebetene mikrobiellen Gäste beschränkt. Bebber und seine Kollegen haben die Verbreitung von 80 Arten virulenter Pilze und Oomyceten – Organismen, die als „Eipilze“ bekannt sind und Fäulnis und Verrottung verursachen - kartiert.

„Etwas, das (in den bisherigen Pflanzenmodellen) fehlt, ist die biologische Komponente – es sind die Schädlinge und Krankheitserreger“, sagt Bebber. „Es ist eines unserer langfristigen Ziele, eine Pathogen-Komponente einzubauen … so kommen wir zu einer besseren Einschätzung, wie die Zukunft wohl aussehen mag.“

Laut Jeremy Burdon, einem an der Studie unbeteiligten, pensionierten Evolutionsbiologen der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization (CSIRO) in Australien, bietet diese Studie den bisher umfassendsten Blick quasi aus der Vogelperspektive auf die Verbreitung von Krankheitserregern. „Dieses Studie ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiger und wertvoller Beitrag zum … Verständnis der Interaktion zwischen Nutzpflanzen und ihren Krankheitserregern.“

Pflanzenkrankheiten gehören weltweit zu den Hauptursachen für Missernten. Schädlinge und Krankheitserreger verursachen schätzungsweise 10 bis 40 Prozent der landwirtschaftlichen Verluste bei fünf der weltweit wichtigsten Kulturpflanzen wie Weizen und Reis. Die Geschichte ist übervoll von Berichten über Hungersnöte, die durch Pflanzenkrankheiten verursacht wurden, wie die irische Hungersnot im 19.Jahrhundert (verursacht durch Kartoffelfäule, Anm. Redn.) und die bengalische Hungersnot in Indien, die im Jahr 1943 als Folge der Missernten von Reis ausgelöst wurde. Abbildung 2. Aufgrund eines sich ausbreitenden Pilzes steht aktuell die sonnengelbe Bananensorte Cavendish, die Dekoration von Lebensmittelgeschäften, am Rande einer Katastrophe [2].

Abbildung 2. Wie die durch die Kartoffelfäule ausgelöste Hungersnot die irische Bevölkerung im 19. Jahrhundert reduzierte (Bild von Redn. eingefügt aus: http://www.wesleyjohnston.com/users/ireland/maps/historical/pop_change_1841_1851.gif ; Lizenz: gemeinfrei)

 

Klimamodelle & Kulturpflanzenmodelle

Um die kollektive Bedrohung der landwirtschaftlichen Zukunft der Menschheit durch Pathogene angesichts des Klimawandels abzuschätzen, setzten Bebber und Kollegen vier verschiedene Klimamodelle und drei Kulturpflanzenmodelle ein. Die Forscher verglichen zunächst die prognostizierten Erträge von 12 Pflanzenarten zwischen 2011 und 2030 sowie zwischen 2061 und 2080. Die Modelle sagten für alle Pflanzen, von Zuckerrüben über Erbsen bis hin zu Sojabohnen, reichere Ernten in höheren Breitengraden voraus, während Regionen näher am Äquator entweder bescheidene Ertragssteigerungen oder -rückgänge erfahren würden. Gesamt gesehen haben die Ergebnisse gezeigt, dass der Klimawandel eine höhere landwirtschaftliche Produktivität für den gesamten Planeten bedeutet.

Simulierung von Infektionsraten

Werden allerdings Krankheitserreger in das Bild eingefügt, so ergibt dies ein düstereres Szenario. Um dies zu bewerkstelligen, haben die Forscher veröffentlichte Felddaten zur Temperaturtoleranz von Pilz- und Oomyceten-Erregern durchkämmt. Dann haben sie - basierend auf den vorhergesagten Temperaturen - das Risiko jedes Krankheitserregers, Pflanzen zu infizieren errechnet. Wie die Berechnungen zeigen, folgen Krankheitserreger, die einst an die wärmeren Zonen gebunden waren, nach, wenn sich die Grenze der Anbaugebiete polwärts verschieben. Dank des Klimawandels werden Länder, die näher an den Polen liegen, für Krankheitserreger schließlich ausreichend zuträglich sein, sodass sich mehr davon ansiedeln und die Pflanzen vernichten. Ernten weiter nördlich und südlich werden nicht nur anfälliger für Neuinfektionen sein als ihre äquatorialen Gegenstücke, sondern es wird mit höherer Wahrscheinlichkeit auch eine größere Vielfalt bösartiger Mikroben näher an den Polen auftauchen.

Ernteerträge kaum vorhersagbar

Derzeit kann Bebbers Team die Ernteertragszahlen aus den Infektionsraten mit den Krankheitserregern nicht vorhersagen, da der gleiche pathogene Stamm auf verschiedenen Böden ein unvorhersehbares Verhalten haben könnte. Als Beispiel nennt Bebber den Erreger des "plötzlichen Eichentods" – dieser hat die Eichenbestände an der US-Westküste dezimiert, britische Eichen jedoch unberührt gelassen; stattdessen hielt er sich an die japanischen Lärchen in Großbritannien. Darüber hinaus haben die Forscher nur die Temperatur als einzigen Treiber für die Ausbreitung von Krankheitserregern betrachtet; Die Realität hängt jedoch von einer Mischung verschiedener Faktoren ab, darunter die lokalen Veränderungen der Niederschläge, die Bereitschaft einer Gemeinde, neue Krankheiten zu bekämpfen, und Veränderungen in der künftigen Wahl der Pflanzen durch die Landwirte.

In den "Fängen des Klimawandels" könnten ortsansässige Bauern in Entwicklungsländern, die näher an den Tropen liegen, mehr leiden als andere, sagt Camille Parmesan, Klimabiologin am französischen National Centre for Scientific Research, die nicht an der Studie beteiligt war. „Diese Menschen werden jetzt schon sehr hart getroffen“, sagt sie. Aufgrund von Armut und veralteten Anbaumethoden dürften die Landwirte nicht darauf eingestellt sein, mit den neuen Folgen von Krankheitserregern umzugehen. Und diese lokalen Bauern können es sich möglicherweise nicht leisten, Lebensmittel aus dem globalen Norden oder Süden zu importieren. „Sie können nicht einfach plötzlich Lebensmittel aus Kanada kaufen“, sagt sie.

In Zukunft

muss sich die Gesellschaft darauf konzentrieren, Ernteverluste zu bekämpfen, um den ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft zu verringern, sagt Bebber. Die Landwirtschaft ist nach dem Energiesektor weltweit der zweitgrößte Verursacher von Klimaemissionen. „Die Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten ist eine Möglichkeit, die Landwirtschaft effizienter zu machen“, sagt er. Es wird jedoch kompliziert sein die Verbreitung von Parasiten einzudämmen. Gängige Strategien gehen oft mit Folgewirkungen einher, wie z. B. erhöhte Pilzresistenz durch übermäßigen Einsatz von Fungiziden. „Gesellschaften müssen Entscheidungen über die Bekämpfung von Krankheiten [und] Schädlingen treffen – was die Leute dafür auszugeben bereit sind und wie es bewerkstelligt werden soll“, sagt er.


 [1] T.M. Chaloner et al., Plant pathogen infection risk tracks global crop yields under climate change. Nature climate change (August 2021), 11: 710 - 715 (open access) https://doi.org/10.1038/s41558-021-01104-8

[2] Myles Karp: The banana is one step closer to disappearing. (12.8.2019). https://www.nationalgeographic.com/environment/article/banana-fungus-latin-america-threatening-future (abgerufen am 18.8.2021)


*Der vorliegende Artikel stammt von der Nanophysikerin und Journalistin Shi En Kim und ist unter dem Titel " New Study Shows Climate Change May Increase the Spread of Plant Pathogens" am 5. August 2021 im Smithsonian Magazin erschienen.https://www.smithsonianmag.com/science-nature/new-study-shows-climate-change-may-increase-spread-plant-pathogens-180978377/ Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und durch einige Untertitel und eine zusätzliche Abbildung (Abbildung 2) ergänzt.


 Im ScienceBlog zu dem Thema erschienen:

Redaktion, 12.08.2020: Handel und Klimawandel erhöhen die Bedrohung der europäischen Wälder durch Schädlinge