Eindämmung des Klimawandels - Die Zeit drängt (6. IPCC-Sachstandsbericht)

Eindämmung des Klimawandels - Die Zeit drängt (6. IPCC-Sachstandsbericht)

Do, 7.04.2022 — IIASA

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Nach den ersten beiden Teilen des neuen Sachstandsberichts ( 6.Assessment Report, AR6), die sich mit den"Naturwissenschaftlichen Grundlagen" (Arbeitsgruppe 1: 9. August 2021) und mit "Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit " (Arbeitsgruppe 2: 28. Feber 2022) des Klimawandels befassten, hat der Weltklimarat ((Intergovernmental Panel of Climate Change - IPCC) nun den dritten Teil (Arbeitsgruppe 3: 4. April 2022) herausgegeben, der die "Minderung des Klimawandels" zum Thema hat [1]. Der aus 17 Kapiteln bestehende, insgesamt 2913 Seiten lange Bericht untersucht, woher die globalen Emissionen stammen und erklärt die Entwicklungen zur Reduktion der Emissionen und zur Minderung der Erderwärmung. Es ist der erste IPCC-Report, der eine eingehende Untersuchung dazu abgibt, wie Verhalten, Entscheidungen und Konsum von uns Menschen zur Eindämmung des Klimawandels beitragen können. An dem Bericht haben 278 Experten federführend mitgewirkt, weitere Autoren haben zu spezifischen Fragen Beiträge geleistet. Drei Forscher vom International Institute of Systems Analysis (IIASA, Laxenburg) haben als Hauptautoren und Koordinatoren der Arbeitsgruppe mitgearbeitet.*

Abbildung 1. Aus anthropogenen Quellen stammende Treibhausgasemissionen in den letzten drei Jahrzehnten. (Abbildung von der Redn. eingefügt aus [2] https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_PressConferenceSlides.pdf)

Im Zeitraum 2010 - 2019 befanden sich die durchschnittlichen globalen Treibhausgasemissionen auf dem höchsten Stand in der Menschheitsgeschichte, die Geschwindigkeit des Anstiegs hat sich aber (gegenüber dem vorhergehenden Jahrzehnt; Redn.) verlangsamt (Abbildung 1). Ohne sofortige und tiefgreifende Emissionsminderungen in allen Sektoren ist die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C unerreichbar. Allerdings gibt es laut Aussagen der Wissenschafter Im jüngsten Sachstandbericht des Weltklimarates (IPCC) zunehmende Evidenz, dass Klimaschutzmaßnahmen erfolgreich sind. (Das Ziel der Null Emissionen wurde von mindestens 826 Städten und 103 Regionen angenommen. Einige Länder haben eine kontinuierliche Abnahme der Emissionen erreicht, die mit einer Erderwärmung um 2 °C kompatibel ist. Anm. Redn. aus [2] eingefügt.)

Seit 2010 haben sich die Kosten für Solar- und Windenergie sowie für Batterien fortlaufend um bis zu 85 % gesenkt. Durch immer mehr Richtlinien und Gesetze wurde die Energieeffizienz verbessert, die Abholzungsraten verringert und der Einsatz erneuerbarer Energien beschleunigt. Abbildung 2.

Abbildung 2. Kosten für erneuerbare Energie sind z.T. niedriger als für fossile Brennstoffe (oben) und ihr Anteil an elektrischen System steigt stark (unten). (Abbildung von der Redn. eingefügt aus [2] https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_PressConferenceSlides.pdf.)

Wir stehen an einem Scheideweg. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern. Wir haben die Werkzeuge und das Know-how, die erforderlich sind, um die Erwärmung zu begrenzen“, sagte IPCC-Vorsitzender Hoesung Lee. „Die Klimaschutzmaßnahmen, die in vielen Ländern ergriffen werden, geben mir Mut. Es gibt Richtlinien, Vorschriften und Marktinstrumente, die sich als wirksam erweisen. Wenn diese verstärkt und breiter und gerechter angewendet werden, können sie tiefgreifende Emissionsminderungen unterstützen und Innovationen anregen.“

Der Bericht der Arbeitsgruppe III bietet eine aktualisierte globale Bewertung der Fortschritte und Zusagen zur Eindämmung des Klimawandels und untersucht die Quellen der globalen Emissionen. Er erläutert Entwicklungen bei den Bemühungen zur Emissionsreduzierung und -minderung und bewertet die Auswirkungen nationaler Klimaschutzverpflichtungen in Hinblick auf langfristige Emissionsziele.

In allen Sektoren gibt es Optionen die Emissionen bis 2030 mindestens zu halbieren

Laut den Autoren wird die Begrenzung der globalen Erwärmung große Veränderungen im Energiesektor erfordern. Abbildung 3. Dies wird eine erhebliche Reduzierung im Verbrauch fossiler Brennstoffe bedeuten, eine weitreichende Elektrifizierung, eine verbesserte Energieeffizienz und die Verwendung alternativer Brennstoffe (etwa wie Wasserstoff). Mit den richtigen Regeln, Infrastrukturen und verfügbaren Technologien zur Änderung unseres Lebensstils und Verhaltens, können die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 40–70 % gesenkt werden. Dass solche Änderungen des Lebensstils die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern können, ist evident.

Abbildung 3. Vom Energie- bis zum Transportsektor: In allen Sektoren gibt es Möglichkeiten die Emissionen bis 2030 auf die Hälfte zu reduzieren. (Abbildung von der Redn. eingefügt aus [2] https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_PressConferenceSlides.pdf.)

Städte und andere urbane Gebiete bieten ebenfalls erhebliche Möglichkeiten zur Reduzierung von Emissionen. Dies kann durch einen geringeren Energieverbrauch (z. B. durch die Schaffung kompakter, in Gehdistanz angelegter Städte), die Elektrifizierung des Verkehrs kombiniert mit emissionsarmen Energiequellen und eine verbesserte Kohlenstoffaufnahme und -speicherung unter Nutzung der Natur erreicht werden. Es gibt Optionen für etablierte, schnell wachsende und neue Städte.

Die Reduzierung von Emissionen in der Industrie wird die effizientere Nutzung von Materialien, die Wiederverwendung und das Recycling von Produkten und die Minimierung von Abfall beinhalten. Für Grundstoffe, einschließlich Stahl, Baumaterialien und Chemikalien, befinden sich treibhausgasarme oder treibhausgasfreie Produktionsverfahren in Phasen, die von Pilot- bis zu nahezu kommerziellen Stadien reichen. Dieser Sektor ist für etwa ein Viertel der weltweiten Emissionen verantwortlich. Das Erreichen von Netto-Null wird eine Herausforderung sein und neue Produktionsprozesse, emissionsarmen und emissionsfreien Strom, Wasserstoff und gegebenenfalls die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff erfordern.

Land- und Forstwirtschaft sowie andere Landnutzungen können in großem Maßstab Emissionen reduzieren und Kohlendioxid in großem Maßstab entfernen und speichern. Land kann jedoch verzögerte Emissionsminderungen in anderen Sektoren nicht kompensieren. Reaktionsoptionen können der Biodiversität zugute kommen, uns bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen und Lebensgrundlagen, Nahrungsmittel, Wasser und Holzvorräte sichern.

Eine wichtige neue Komponente des Berichts der Arbeitsgruppe III ist ein neues Kapitel zu den sozialen Aspekten der Emissionsminderung, das die „Nachfrageseite“ untersucht, mit anderen Worten, was treibt die Konsumation und die Treibhausgasemissionen an. Signifikante Veränderungen in den Bereichen Verkehr, Industrie, Gebäude und Landnutzung werden es den Menschen erleichtern, einen kohlenstoffarmen Lebensstil zu führen, und gleichzeitig das Wohlbefinden verbessern. Bis 2050 hat eine Kombination aus wirksamen Strategien, verbesserter Infrastruktur und Technologien, die zu Verhaltensänderungen führen, das Potenzial, die Treibhausgasemissionen um 40 bis 70 % zu reduzieren.

"Die Vorgangsweise im kommenden Jahrzehnt ist entscheidend dafür das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Gleichzeitig ist es wichtig zu erkennen, dass – selbst wenn es uns nicht gelingt, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, – es wichtig ist, die Klimaschutzmaßnahmen weiter voranzutreiben. Weniger Klimawandel ist aus Sicht des Risikomanagements eindeutig besser“, sagt Volker Krey, Leiter der IIASA Integrated Assessment and Climate Change Research Group und einer der Hauptautoren des Berichts.

Investitionslücken schließen, Ungleichheiten überbrücken und die Ziele für nachhaltige Entwicklung erreichen

Abseits von den Technologien zeigt der Bericht, dass die Finanzströme zwar um einen Faktor drei- bis sechsmal niedriger sind als das Niveau, das bis 2030 erforderlich ist, um die Erwärmung auf unter 2 °C zu begrenzen, es jedoch genügend globales Kapital und Liquidität gibt, um Investitionslücken zu schließen. Dies hängt jedoch von klaren Signalen der Regierungen und der internationalen Gemeinschaft ab, einschließlich einer stärkeren Angleichung von Finanzen und Politik im öffentlichen Sektor.

„Die Abschätzung hebt die großen Unterschiede im Beitrag verschiedener Regionen, Nationen und Haushalte zu den globalen Treibhausgasemissionen hervor. Beispielsweise haben die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) und die kleinen Inselentwicklungsstaaten (SIDS) in der Vergangenheit nicht wesentlich zu den globalen Treibhausgasemissionen beigetragen, und sie tun dies auch jetzt nicht“, bemerkt die Hauptautorin des Kapitels, Shonali Pachauri, die die Forschungsgruppe für Transformative institutionelle und soziale Lösungen am IIASA leitet. „Für die Bevölkerung in emissionsarmen Ländern, die keinen Zugang zu modernen Energiediensten und einem angemessenen Lebensstandard haben, hat die Bereitstellung eines universellen Zugangs zu diesen Diensten keine wesentlichen Auswirkungen auf das globale Emissionswachstum.“

Beschleunigte und gerechte Klimaschutzmaßnahmen zur Minderung und Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels sind für eine nachhaltige Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Einige Optionen können Kohlenstoff absorbieren und speichern und gleichzeitig den Gemeinden helfen, die mit dem Klimawandel verbundenen Auswirkungen zu begrenzen. Beispielsweise können in Städten Netze von Parks und Freiflächen, Feuchtgebiete und städtische Landwirtschaft das Hochwasserrisiko verringern und Hitzeinseleffekte reduzieren.

Minderung in der Industrie kann Umweltauswirkungen verringern und Beschäftigungs- und Geschäftsmöglichkeiten erhöhen. Die Elektrifizierung mit erneuerbaren Energien und Verlagerungen im öffentlichen Verkehr können Gesundheit, Beschäftigung und Gerechtigkeit verbessern.

Die nächsten Jahre sind kritisch

Die von Arbeitsgruppe III bewerteten Szenarien zeigen, dass eine Begrenzung der Erwärmung auf etwa 1,5 °C voraussetzt, dass die globalen Treibhausgasemissionen spätestens vor 2025 ihren Höhepunkt erreichen und bis 2030 um 43 % reduziert werden müssen. Abbildung 4. Gleichzeitig müsste auch Methan um etwa ein Drittel reduziert werden. Selbst wenn dies getan wird, ist es fast unvermeidlich, dass wir diese Temperaturschwelle vorübergehend überschreiten, aber bis zum Ende des Jahrhunderts wieder unterschreiten könnten.

Abbildung 4. Globale Treibhausgasemissionen: Modellierte Pathways (Abbildung von der Redn. eingefügt aus [2] https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_PressConferenceSlides.pdf) . Zu den Klimamodellen siehe unten: Artikelserie im ScienceBlog.

Die globale Temperatur wird sich stabilisieren, wenn die Kohlendioxidemissionen netto Null erreichen. Für eine Begrenzung auf 1,5 °C bedeutet dies, dass wir Anfang der 2050er Jahre weltweit Netto-Null-Kohlendioxidemissionen erreichen; für 2 °C ist dies in den frühen 2070er Jahren der Fall. Die Bewertung zeigt, dass die Begrenzung der Erwärmung auf etwa 2 °C immer noch erfordert, dass die globalen Treibhausgasemissionen spätestens vor 2025 ihren Höchststand erreichen und bis 2030 um ein Viertel reduziert werden.

„Der Bericht zeigt, wie wichtig die nächsten Jahre bis 2030 dafür sind, ob wir die Erwärmungsziele des Pariser Abkommens erreichen können. Wir haben die notwendigen Optionen und Investitionen aufgezeigt. Der Ball liegt jetzt bei der Politik, um die Umsetzung zu beschleunigen“, schließt Keywan Riahi, koordinierender Hauptautor und IIASA-Programmdirektor für Energie, Klima und Umwelt.


 [1] Working Group III Report to the Sixth Assessment Report of the IPCC: Climate Change 2022. Mitigation of Climate Change https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_FinalDraft_FullReport.pdf

[2] Sixth Assessment Report of the IPCC: Press Conference 4.4.2022, Slide Show https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_PressConferenceSlides.pdf


 * Die Presseaussendung "New IPCC Report: we can halve emissions by 2030." https://iiasa.ac.at/news/apr-2022/new-ipcc-report-we-can-halve-emissions-by-2030  ist am 6. April 2022 auf der IIASA Website erschienen. Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und durch 4 Abbildungen aus den IPCC-Report/Press Conference slides [2] ergänzt. (Alle Abbildungen stehen unter einer cc-by-nc-nd-Lizenz, sind daher in der Originalversion (englische Beschriftung) wiedergegeben.) IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung der von uns übersetzten Inhalte seiner Website und Presseaussendungen in unserem Blog zugestimmt.


Weiterführende Links

Weitere Details zum IPCC-Sixth Assessment Report: https://report.ipcc.ch/ar6wg3/

Video on Sixth Assessment Report of the IPCC CLIMATE CHANGE 2022: Mitigation of Climate Change. Video 2:14:36.https://www.youtube.com/watch?v=STFoSxqFQXU

Artikel im Scienceblog

Artikelserie über Computermodelle, dem zentralen Element der Klimaforschung :


 

inge Thu, 07.04.2022 - 18:05