Projektförderung an der Schnittstelle von Kunst und Naturwissenschaft: Wie trägt Musik zu unserer Gesundheit bei?

Do, 17.10.2019 — Francis S. Collins

Francis S. CollinsIcon Gehirn

Musik kann uns mobilisieren, unsere Stimmung aufheitern, sogar Erinnerungen wachrufen. Kann Musik aber auch unsere Gesundheit positiv beeinflussen? Zur Untersuchung dieser Frage haben vor zwei Jahren die US-National Institutes of Health (NIH) zusammen mit dem National Symphony Orchestra (NSO) das Projekt "Sound Health" ins Leben gerufen; dessen Umfang soll nun gemeinsam mit dem John F. Kennedy Center für darstellende Künste erweitert werden. 20 Millionen US$ sollen über 5 Jahre in Projekte investiert werden, welche mittels moderner biomedizinischer Methoden untersuchen, wie und mit welchen Regionen des Gehirns die Musik wechselwirkt und wieweit sie eine Reihe von (neurologischen) Erkrankungen positiv beeinflussen kann. Francis S. Collins, seit 10 Jahren Direktor der NIH, hat nicht nur die Genforschung revolutioniert (er war u.a. Leiter des "Human Genome Project" und hat eine Reihe Krankheiten verursachender Gene entdeckt), er ist auch ein unermüdlicher Prediger für die Macht, die Musik auf unser Leben hat.*

Es ist nicht alltäglich zusammen mit einer der besten Stimmen der Welt auf der Bühne zu stehen. Was war es doch für eine Ehre anlässlich der J.Edward Rall Cultural Lecture am NIH im Mai die berühmte Opernsängerin Renée Fleming bei der Interpretation von "How can I keep from singing?" (Wie kann ich mich am Singen hindern?") begleiten zu dürfen. Abbildung 1. Unser Duett bedeutete aber so viel mehr. Zwischen der zeitlosen Botschaft des Liedes und Renées unvergleichlichem Sopran erfüllte mich die Musik mit einem tiefen Gefühl der Freude, so als ob ich für einen kurzen Moment aus mir selbst an einen Ort der Schönheit und des Wohlbefindens entführt würde. Wie kann so etwas geschehen?

Abbildung 1. Francis S.Collins und Renée Fleming interpretieren ein altes aus 1864 stammendes Lied: "How can I keep from singing?" Die Aufnahme kann auf Youtube hier abgehört werden. Der Text des Liedes findet sich im Anhang.

Tatsächlich ist der Nutzen der Musik für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen seit langem anerkannt. Die biomedizinische Wissenschaft hat aber bis jetzt nur eine sehr limitierte Vorstellung davon wie die Musik auf das Gehirn einwirkt und welches Potential sie besitzt, um die Symptome einer Reihe von Erkrankungen zu lindern, wie beispielsweise der Parkinsonkrankheit, des Schlaganfalls oder auch posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS).

Die Sound Health Initiative

Die NIH haben nun einen wesentlichen Schritt getan, um mittels strenger Wissenschaft zu erfassen, welches Potenzial die Musik zur Förderung der menschlichen Gesundheit besitzt: dafür wurden gerade 20 Millionen US-Dollar bereitgestellt, die über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Förderung der ersten Forschungsprojekte der Sound Health-Initiative dienen sollen. Abbildung 2. Sound Health wurde 2017 ins Leben gerufen und ist eine Partnerschaft zwischen den NIH und dem John F. Kennedy Center für darstellende Künste, in Zusammenarbeit mit der Nationalstiftung für Künste.

Abbildung 2. Sound Health: Die NIH unterstützen mit 20 Millionen US $ über einen Zeitraum von 5 Jahren Projekte, die Musiktherapie und Neurowissenschaften zusammenbringen (Bild: https://www.nih.gov/research-training/medical-research-initiatives/sound-health, von Redn. eingefügt)

Unterstützt von 10 NIH-Instituten und -Zentren werden die durch Sound Health-Grants geförderten Wissenschafter unter anderem untersuchen, wie Musik die motorischen Fähigkeiten von Parkinson-Patienten verbessern kann. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass der Schlag eines Metronoms den Gang von Parkinson-Patienten stabilisieren kann. Es sind jedoch weitere Untersuchungen erforderlich, um genau zu bestimmen, warum dies geschieht.

Untersuchungen an der Schnittstelle von Musik und Biomedizin

Zu weiteren faszinierenden Gebieten, die mittels Sound Health-Förderung erkundet werden, zählen:

  • Wie beeinflussen aktive Musikinterventionen, oft Musiktherapien genannt, eine Reihe von Biomarkern, die mit einer Verbesserung des Gesundheitszustands korrelieren? Ziel ist es, ein umfassenderes Verständnis zu erhalten, wie solche Interventionen dazu dienen können, krebsbedingten Stress abzubauen und möglicherweise sogar die Immunfunktionen zu verbessern.
  • Wie wirkt Musik auf das sich entwickelnde Gehirn von Babies, wenn sie sprechen lernen? Eine solche Untersuchung kann besonders für Kleinkinder hilfreich sein, die mit einem hohen Risiko für Rede- und Sprachstörungen behaftet sind.
  • Untersuchungen zur Synchronisation des musikalischen Rhythmus als Teil der sozialen Entwicklung. Diese Forschung wird untersuchen, wie dieser Prozess bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen beeinträchtigt ist und möglicherweise Wege aufzeigen, musikbasierte Interventionen zur Verbesserung der Kommunikation zu entwickeln.
  • Welche Auswirkungen auf das Gedächtnis hat es, wenn man wiederholt einem bestimmten Lied oder einer musikalischen Phrase ausgesetzt ist, einschließlich derjenigen „Ohrwürmer“, die in unseren Köpfen haften bleiben? Diese Studie könnte uns mehr darüber erzählen, wie Musik manchmal als Anhaltspunkt für das Abrufen assoziierter Erinnerungen dient, selbst bei Menschen, deren Erinnerungsvermögen durch die Alzheimer-Krankheit oder andere kognitive Störungen beeinträchtigt ist.
  • Wie formt Musik das Gehirn über die Zeit der Entwicklung hin - von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter? Dazu gehört, dass untersucht wird, wie das Musiktraining an verschiedenen Punkten dieser Zeitspanne Aufmerksamkeit, ausführende Tätigkeiten, soziale und emotionale Funktionen und sprachliche Fähigkeiten beeinflussen kann.

Fazit

Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, die außergewöhnlich ist, was die Entdeckungen in den Neurowissenschaften betrifft und ebenso außergewöhnlich hinsichtlich der Kreativität in der Musik. Die Sound Health-Förderungen sind - so hoffe ich - nur der Anfang einer langen und produktiven Partnerschaft, die diese kreativen Bereiche zusammenbringt. Ich bin davon überzeugt, dass die Macht der Wissenschaft enorme Möglichkeiten bietet, um die Wirksamkeit musikbasierter Interventionen zu steigern und deren Reichweite auszudehnen mit dem Ziel Gesundheit und Wohlbefinden von an verschiedensten Krankheiten leidenden Menschen zu verbessern.


* Dieser Artikel von NIH Director Francis S. Collins, M.D., Ph.D. erschien zuerst (am 19. September 2019) im NIH Director’s Blog unter dem Titel: "New Grants Explore Benefits of Music on Health" und wurde geringfügig für den ScienceBlog adaptiert. Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH). Die Abbildungen stammen von den unter Weiterführende Links angegebenen Seiten und wurden von der Redaktion eingefügt.


Weiterführende Links

National Institutes of Health. https://www.nih.gov/

NIH awards $20 million over five years to bring together music therapy and neuroscience (19. September 2019)

Renée Fleming's Brain Scan: Understanding Music and the Mind (2017). Video 2:59 min.

How Can I Keep From Singing

Text von Enya; https://www.songtexte.com/songtext/enya/how-can-i-keep-from-singing-5bd32758.html

My life goes on in endless song
Above earth´s lamentations,
I hear the real, though far-off hymn
That hails a new creation.

Through all the tumult and the strife
I hear its music ringing,
It sounds an echo in my soul.
How can I keep from singing?

While though the tempest loudly roars,
I hear the truth, it liveth.
And though the darkness 'round me close,
Songs in the night it giveth.

No storm can shake my inmost calm,
While to that rock I´m clinging.
Since love is lord of heaven and earth
How can I keep from singing?

When tyrants tremble in their fear
And hear their death knell ringing,
When friends rejoice both far and near
How can I keep from singing?

In prison cell and dungeon vile
Our thoughts to them are winging,
When friends by shame are undefiled
How can I keep from singing?