Rindersteaks aus dem 3D-Drucker - realistische Alternative für den weltweiten Fleischkonsum?

So 11.09.2021.... Inge Schuster Inge SchusterIcon Politik & Gesellschaft

Ein vor 2 Wochen erschienener Artikel beschreibt, wie aus Stammzellen von Muskelgewebe, Fettzellen und gefäßbildenden Zellen (Endothelzellen) des Wagyu-Rindes erstmals Strukturen mit ähnlicher Konsistenz wie natürlich gewachsenes Fleisch erzeugt wurden. Das Drei-Stufen Verfahren begann mit der Isolierung und Vermehrung der Zellen im Labor. In einem zweiten Schritt wurden diese mittels einer speziellen 3D-Drucktechnik in ein Hydrogel-Stützgerüst pipettiert, wo sie zu Fleisch-typischen Fasern differenzierten, die sich in einem dritten Schritt schlussendlich zu Strukturen mit vergleichbarer Konsistenz wie gewachsenes, "marmoriertes" Fleisch zusammensetzen ließen. Es ist dies zweifellos ein sehr vielversprechender Ansatz! Allerdings müssen die methodischen Details - noch ist der Einsatz von speziellen Nährmedien, Antibiotika und diversen Wachstumsfaktoren unabdingbar - weiter entwickelt und optimiert werden, um zu einem erfolgreichen, leistbaren Massenprodukt zu gelangen, das vom nicht-vegetarisch lebenden Großteil der Menschheit als adäquater Fleischersatz akzeptiert wird.

Die Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen und die Schaffung einer nachhaltigen Ernährungssicherheit für die weiterhin stark wachsende Erdbevölkerung gehören zweifellos zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Ernährung und Klimasituation können dabei nicht als voneinander unabhängig betrachtet werden: veränderte Klimabedingungen wirken sich unmittelbar auf landwirtschaftliche Erträge aus, das Ernährungssystem wiederum - von Landnutzung über Nahrungsproduktion, Transportkette bis hin zur Abfallwirtschaft - verursacht heute bereits rund ein Drittel der der globalen anthropogenen Treibhausgas-Emissionen (die anderen zwei Drittel stammen aus den Aktivitäten in Industrie, Verkehr und Wohnen )[1]. Ein Großteil der Emissionen kommt dabei aus der industriellen Tierproduktion.

Fleisch und Fleischprodukte

sind die weltweit am häufigsten konsumierten Nahrungsmittel. Der Anteil der vegetarisch/vegan sich ernährenden Menschen lag laut Statista 2020 in nahezu allen Staaten (weit) unter 10 % (selbst in Indien sind nur noch 38 % der Bevölkerung Vegetarier); in Deutschland, Österreich und Schweiz lag der Anteil bei 7 % [2]. Produktion und Konsum tierischer Nahrungsmittel werden nach den Schätzungen der FAO (United Nations Food and Agriculture Organization) bis 2050 noch weiter zunehmen. Abbildung 1.

Abbildung 1. Global wird die Produktion von Fleisch und tierischen Produkten weiter ansteigen. Daten bis2013 und Voraussagen bis 2050 basieren auf Schätzungen der FAO. Angaben in Tonnen. (Bild: https://ourworldindata.org/grapher/global-meat-projections-to-2050. Lizenz : cc-by)

Für die Zunahme werden nicht so sehr die reichen Staaten Nordamerikas oder der EU verantwortlich sein, da diese mit einem jährlichen pro-Kopf- Verbrauch von 70 kg Fleisch und mehr bereits "fleischgesättigt" sind. Es liegt einerseits am globalen Bevölkerungswachstum - nach Berechnungen der UN werden ausgehend von aktuell 7.8 Milliarden Menschen im Jahr 2050 zwischen 8,7 und 10,8 Milliarden Menschen die Erde bevölkern - und auch daran dass aufstrebende Staaten mit wachsendem Wohlstand zu einem erhöhten Fleischkonsum tendieren; insbesondere wird dies für asiatische Länder und hier vor allem für China zutreffen. Wie Analysen aus den letzten Jahrzehnten zeigen, ist der Fleischkonsum ja ein Gradmesser dafür, wie reich Staaten sind. Abbildung 2.

Abbildung 2. In den letzten Jahrzehnten hat die Fleischproduktion in asiatischen Ländern enorm zugenommen. (Bild: https://ourworldindata.org/grapher/global-meat-production. Lizenz : cc-by)

Mehr Nutztiere bedeuten steigende Treibhausgasemissionen. Die für Deutschland berechneten, bei der Produktion von Nahrungsmitteln anfallenden durchschnittlichen Emissionen betragen pro 100 g Rindfleisch 1,23 kg CO2-Äquivalente, pro 100 g eiweißreicher Feldfrüchte (Kartoffel, Hülsenfrüchte, Nüsse) dagegen bei 0,1 kg und weniger CO2-Äquivalente [3]. Mehr Nutztiere benötigen einen gesteigerten Platzbedarf, ein Mehr an Agrárflächen für die Produktion von Futtermitteln und ein Mehr an Wasserverbrauch. Um beispielsweise 1 kg Rindfleisch zu erzeugen, braucht es bis zu 9 kg Futter, bis zu 15 400 l Wasser und eine Fläche bis zu 50 m2 [4).. Von der bewohnbaren Erdoberfläche ( 104 Mio km2) wird heute bereits die Hälfte - 51 Mio km2 - landwirtschaftlich genutzt, davon 77 % (40 Mio km2) für Tierhaltung und Anbau von Tierfutter [5].

Eine zukünftige weitere Expansion von Weide- und Futteranbauflächen auf Kosten der Waldgebiete muss wohl gebremst, ein weiterer, durch Nutztierhaltung verursachter Anstieg von Treibhausgasen verhindert werden.

Fleischersatz

Dass bis 2050, d.i. innerhalb einer Generation, der Appetit auf Fleisch stark abnehmen und der Anteil der Vegetarier rasant steigen wird, ist ohne diktatorische Maßnahmen wohl kaum erreichbar. Eine Änderung der Konsumgewohnheiten ist nur denkbar, wenn gesunde alternative Ernährungsmöglichkeiten verfügbar sind, wenn ein von Textur und Geschmack akzeptabler, preiswerter Fleischersatz - "Laborfleisch" - angeboten wird.

Prinzipiell sind hier zwei Wege des Fleischersatzes möglich: i) Produkte, die auf eiweißreichen Pflanzen basieren, in ihren Inhaltsstoffen optimiert werden und mit Bindemitteln, Farben, Wasser und Aromen Aussehen und Geschmack von Fleischprodukten nachahmen und ii) Produkte, die aus den Muskelzellen unserer Nutztiere hergestellt werden. In den meisten Fällen wird auf beiden Wegen dabei unstrukturiertes Material mit der Textur von Hackfleisch erzeugt, die im Wesentlichen zu Burger und Wurstwaren verarbeitet werden.

Pflanzenbasierte Produkte - Ausgangsstoffe sind u.a. Soja, Erbsen, Bohnen, Getreide, Pilze - sind bereits auf dem Markt sind und erfreuen sich steigender Nachfrage. Hier sind vor allem die Produkte von Beyond Meat (das bereits in Fast-Food Ketten angeboten wird) und Impossible Meat zu nennen.

Fleischzucht im Labor ...........

Hier sind aus Muskel- und Fettgewebe von Tieren isolierte Stammzellen das Ausgangsmaterial, die mittels Zellkulturtechniken in Bioreaktoren vermehrt werden. Bereits 2013 wurde an der Universität Maastricht der erste aus solchen Zellen erzeugte Burger verkostet - auf Grund der teuren Nährmedien, Wachstumsfaktoren und anderer Zusätze belief sich damals sein Preis auf 250 000 €. Die Erwartung von Milliarden-Umsätzen hat seitdem mehr als 74 Unternehmen - große Konzerne wie Merck oder Nestle und auch viele kleine und mittelgroße Firmen - auf den Plan gerufen, die an der Entwicklung von leistbarem und geschmacklich akzeptierbaren in vitro-Fleisch für den Massenkonsum arbeiten. Dabei geht es vielfach - wie oben erwähnt - um unstrukturiertes Laborfleisch, also um Hackfleisch-artige Produkte und daraus erzeugte Wurstwaren. Strukturiertes Steak-ähnliches Fleisch ("whole cuts") entsteht aus einer Kombination von gezüchteten Fleischzellen und einem Gerüst aus Pflanzenprotein (z.B. Soya), in welches die tierischen Zellen hineinwachsen. Die Kosten konnten zwar bereits enorm gesenkt werden, u.a. durch den Einsatz von pflanzlichem Material und pflanzenbasierten Zusätzen, im Vergleich zu authentischem Fleisch sind sie aber noch viel zu hoch.

Im Juni 2021 hat nun die in Rehovot (Israel) ansässige Firma Future Meat die weltweit erste Firma eröffnet, die Laborfleisch in größerem Maßstab - das sind aber bloß erst 500 kg (d.i. 5 000 Burger) pro Tag - und zu einem Preis von US 40 $/kg herstellen will. Die Steaks vom Huhn oder Lamm sind, wie oben erwähnt, Hybride (50:50?) aus tierischem und pflanzlichen Material und noch immer erheblich teurer als normal gewachsenes Fleisch.. Gespräche mit der amerikanischen FDA zur möglichen Einführung auf dem US-Markt wurden begonnen.

........und ein Mini-Steak vom Wagyo-Rind

Die Erzeugung fleischtypischer Strukturen ausschließlich aus tierischen Zellen ist wesentlich komplizierter und aufwendiger. Eine japanische Forschergruppe von der Universitär Osaka hat hier nun offensichtlich einen Meilenstein gesetzt. Es wurden erstmals Stammzellen für alle wesentlichen Fleischkomponenten - Muskelfasern, Fettgewebe und Blutgefäße - isoliert, vermehrt, mittels 3D-Druck zu fleischtypischen Faserstrukturen gezogen und diese sodann zu Ministeaks - in diesem Fall zur für das Wagyo-Rind charakteristischen "marmorierten" Textur- zusammengebaut [6] . Das in drei Schritten ablaufende Verfahren ist in Abbildung 3 zusammengefasst.

Abbildung 3. IAus den Stammzellen des Muskel- und Fettgewebes des Wagyo-Rinds In 3 Schritten zum in vitro-Ministeak. Oben rechts: wie Fleisch in vivo aufgebaut ist. Schritt 1: Isolierung und Reinigung von Satelliten-Stammzellen des Muskels (bovine satellite cells - bSCs) und von Fettgeweben stammenden Zellen (bovine adipose-derived stem cells - bADSCs ). Schritt 2: 3D-Druck von bSCs und bADSCs um Muskel-, Fett- und Gefäßfasern zu erzeugen. Schritt 3: Zusammensetzung der Fasern und Verklebung mittels Transglutaminase zu einer für Steaks typischen marmorierten Struktur. (Bild modifiziert nach Kang et al,. (2021) [6], die Arbeit ist unter cc-by lizensiert.)

Schritt 1: Ein frisch geschlachtetes Wagyu-Rind lieferte das Ausgangsmaterial für 2 Sorten von Stammzellen; diese wurden aus Muskelgewebe (bovine satellite cells - bSCs) und aus Fettgewebe (bovine adipose-derived stem cells -bADSCs) isoliert. In speziellen Nährmedien kultiviert entstanden aus den bSCs Muskelzellen, die bADSCs differenzierten zu reifen Fettzellen (Adipozyten) und unter veränderten Kulturbedingungen zu Blutgefäß-Zellen (Endothelzellen). Die einzelnen Zelltypen wurden nun unter jeweils optimierten Kulturbedingungen vermehrt.

Schritt 2: Mittels einer speziellen 3D-Drucktechnik - dem "Sehnen Gel-Druck" (Tendon-Gel-imprinted Bioprinting - TIP) wurden Suspensionen der einzelnen Zelltypen ("bio-ink") in ein von senkrechten Kanälchen durchzogenes Hydrogel-Stützgerüst aus Gelatine pipettiert, wo begrenzende Kollagen-Gel-"Sehnen" (Tendon-Gel) sie dann zu Fleisch-typischen Muskelfasern, Fettzellsträngen und Blutkapillaren wachsen ließen (Abbildung 4).

Schritt 3: Die Fasern wurden schlussendlich zu Strukturen mit vergleichbarer Konsistenz und Struktur wie gewachsenes, "marmoriertes" Fleisch zusammengesetzt und durch Zugabe des auch in vivo präsenten Enzyms Transglutaminase miteinander "verklebt". Insgesamt ergaben 42 Muskelfasern, 28 Fettstränge und 2 Blutkapillaren ein etwa 1 x 1 x 0,5 cm marmoriertes Mini-Steak (Abbildung 4, unten).

Abbildung 4. Mittels einer speziellen 3D-Drucktechnik werden Muskel-, Fett- und Gefäßzellen zu fleischtypischen Strukturen geformt und zu einem etwa 1 cm langen, 0,5 cm dicken Steak zusammengebaut. Bild modifiziert nach Kang et al., (2021) [6]( Lizenz: cc-by). 3D-Printer und Fasern sind screenshots aus den Supplementary Movies 5, 6, 7 und 8. Der Zusammenbau im unteren Teil des Bildes stammt aus Figure 5: Die Anordnung der Fasern in kommerziellem Wagyu-Fleisch ist in der oberen Reihe links und Mitte (Färbung: Actinin dunkel, Laminin braun) gezeigt , darunter ist das Mini-Steak von oben und im Querschnitt (Muskelfleisch und Gefäße sind rot gefärbt, Fett ist ungefärbt; der weiße Balken ist 2mm lang).

Ein noch langer Weg bis zu einem ökonomisch akzeptablen Produkt

Das Mini-Steak kommt in Aussehen, Textur und Geschmack einem authentischen Fleischstück sicherlich sehr nahe und kann durch veränderte Relationen der Komponenten noch viel mehr an jeweilige Präferenzen angepasst werden. Ein solches zu 100 % aus Fleischzellen bestehendes Produkt könnte auch Akzeptanz bei vielen Fleischessern finden, denen pflanzenbasierter und/oder hybrider pflanzen- und tierbasierter Fleischersatz zu artifiziell erscheint.

Um derartiges Fleisch in industriellem Maßstab und zu einem akzeptablen Preis erzeugen zu können, ist allerdings noch ein sehr weiter Weg zu gehen, sehr viel an Entwicklungsarbeit zu leisten.

Nehmen wir an, dass das Upscaling vom Laborexperiment zur Produktion in größerem Maßstab bewältigt werden kann, so sind meiner Ansicht nach vor allem zwei massive Probleme hervorzuheben:

Zur Erzeugung des Wagyo-Steaks haben alle Prozesse, die zu Muskel-, Fett- und Endothelzellen, zu deren Vermehrung, Formgebung und schließlich Zusammenbau führten, in Nährlösungen stattgefunden, die neben Zell-spezifischen Wachstumsfaktoren und anderen Zusätzen immer auch fötales Kälberserum (FBS) und einen Mix aus Antibiotika (immer Penicillin, Streptomycin), in einigen Prozessen auch Amphotericin enthielten.

Fötales Kälberserum enthält eine Vielfalt von Hormonen und Wachstumsfaktoren, die für das Kultivieren von Zellen benötigt werden und ist enorm teuer (derzeit kosten 500 ml bei Sigma-Aldrich etwa 644 €). Es wird aus dem Blut von Kalbsföten gewonnen, die, aus dem Leib ihrer Mütter herausgeschnitten, durch Herzpunktion etwa 0,5 l Blut pro Fötus liefern. Um ausreichend Serum für eine großindustrielle Herstellung von Fleischersatz zur Verfügung zu haben, würden wohl Hunderttausende trächtige Rinder gebraucht. Es müssen also um Größenordnungen billigere, dennoch effiziente Nährmedien gefunden werden.

Ein weiteres Problem ist die doch längerdauernden Prozesse ohne Zusatz von Antibiotika/Antimykotika auszuführen (auch unter rigoroser Einhaltung antiseptischer Bedingungen plus Antibiotika Zugabe gab es in meinem Labor selten aber doch vor allem mit Mykoplasmen kontaminierte Zellkulturen).

Dazu kommt dann noch der Bedarf an speziellen kostspieligen Biomarkern, an Wachstumsfaktoren und vielen anderen Zusätzen, die zur Herstellung der Endprodukte benötigt werden und diese noch zunehmend verteuern.

Ist also eine industrielle Herstellung von derartigen Ministeaks möglich? Die Antwort ist: prinzipiell ja. Zuvor ist aber noch sehr viel an Entwicklungsarbeit zu leisten.


  [1] Crippa M. et al., (2021) Food systems are responsible for a third of global anthropogenic GHG emissions. Nature Food 2, 198 - 209

[2] Länder mit dem höchsten Anteil von Vegetariern an der Bevölkerung weltweit im Jahr 2020: https://de.statista.com/prognosen/261627/anteil-von-vegetariern-und-veganern-an-der-bevoelkerung-ausgewaehlter-laender-weltweit

[3] IFEU-Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg: CO2-Rechner: https://www.klimatarier.com/de/CO2_Rechner

[4] Das steckt hinter einem Kilogramm Rindfleisch (2017)https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/1-kg-rindfleisch

[5]Global land use for food production. https://ourworldindata.org/environmental-impacts-of-food?country

[6] Kang, DH., Louis, F., Liu, H. et al. Engineered whole cut meat-like tissue by the assembly of cell fibers using tendon-gel integrated bioprinting. Nat Commun 12, 5059 (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-25236-9